Markus Zehnder, «Exegetische Beobachtungen zu den David-Jonathan-Geschichten», Vol. 79 (1998) 153-179
This article presents a compelling discussion of the texts which S. Schroer and T. Staubli claim to show a homosexual relationship between David and Jonathan. Through the study of vocabulary and narrative the author points out weaknesses in their argumentation and shows that theirs is not the only, or the most plausible, interpretation.
I. Das Problem
Biblischen Texten, die sich vermeintlich oder tatsächlich auf das Thema "Homosexualität" beziehen lassen, ist in den letzten Jahren erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt worden. Ohne Zweifel hängt diese Aufmerksamkeit mit der prominenten Stellung des Themas zusammen, die ihm in der innerkirchlichen und gesamtgesellschaftlichen Diskussion zukommt.
Die David-Jonathan-Geschichten stellen unter den erwähnten Texten insofern eine Besonderheit dar, als ihr Bezug zum Thema "Homosexualität" durchaus umstritten ist. Zu denjenigen, die in neuerer Zeit innerhalb des deutschen Sprachraums das Vorhandensein eines solchen Bezuges vielleicht am pointiertesten behauptet haben, gehören S. Schroer und T. Staubli. In ihrem Beitrag "Saul, David und Jonathan eine Dreiecksgeschichte?" 1 versuchen sie darzulegen, dass es sich bei der Beziehung zwischen Jonathan und David um eine homosexuelle Beziehung handle 2. Begründet wird diese Deutung der Beschreibung der Beziehung zwischen den beiden Männern insbesondere mit den folgenden Hinweisen:
In 1 Sam 18,1-3 findet sich die Bemerkung, dass Jonathan die #$pn Davids lieb gewann wie seine eigene #$pn
(w#$pnk Ntnwhy wbh)yw). Die hier verwendeten Formulierungen sind auffällig parallel zu denjenigen, mit denen in Hld 1,7 und 3,1-4 die Zuneigung der Frau zu ihrem Geliebten beschrieben wird.
In 1 Sam 19,1 findet sich im Blick auf die Zuneigung Jonathans zu David die Wendung b Cpx ("Gefallen finden an"):
d)m dwdb Cpx lw)#$-Nb Ntnhyw
In anderen Zusammenhängen (Gen 34,19; Dtn 21,14) bezieht sich diese Wendung auf das mit sexuellen Konnotationen verbundene Begehren des Mannes gegenüber der Frau.