Tobias Nicklas, «Literarkritik und Leserrezeption. Ein Beitrag zur Methodendiskussion am Beispiel Joh 3,22–4,3», Vol. 83 (2002) 175-192
Classical literary criticism combines the synchronic study of a text’s structure for a possible breakdown in logic with conclusions regarding the diachronic-oriented inquiry into possible literary pre-stages of the text under examination. Without questioning the importance of this method, the present study wants to point out a further connection, which can arise from the recognition of ruptures in the logic of a text. Tensions, breaks, contradictions, doublings, etc. can also be regarded as "disturbances in the reading event" and as such have repercussions for the reception on the text by the "implicit reader". This thesis is put into concrete terms on the basis of John 3,22-4,3 and is explained by means of other examples.
Leser ändern können, bekannte Aussagen und Charaktere in ein neues Licht stellen o. ä15.
(3) Spannungen im Sinne schlecht aufeinander abgestimmter oder gar unvereinbar scheinender Angaben zwingen den Leser, die ihm begegnenden Widersprüche aufzulösen, um Kohärenz zu erzeugen. Dies kann von Fall zu Fall in verschiedener Weise geschehen: Je entsprechend der vorliegenden Problematik besteht die Möglichkeit, Aussagen als auf verschiedenen Ebenen stehend zu interpretieren, spätere Informationen als Korrektur des Erzählers hin zu größerer Präzision zu deuten usw.
(4) Wo der Text den Leser mit Informationsdefiziten konfrontiert, können diese in vielen Fällen als "Leerstellen" interpretiert werden, von denen notwendigerweise jeder Text durchzogen ist16. Auch diese verlangen die Eigeninitiative des Lesers, müssen sie doch gefüllt werden, um Kohärenz zu erzeugen.
(5) Geringer dürfte die Bedeutung terminologischer Differenzen, also die unterschiedliche Benennung ein und derselben Person bzw. Sache, zu veranschlagen sein. Bereits im Erkennen eines derartigen Sachverhalts vollzieht der Leser ja den Schritt der Identifikation beider verschieden bezeichneten Gegenstände bzw. Charaktere17.
II. Das Beispiel Joh 3,22–4,3
Diese theoretischen Überlegungen seien nun an einem praktischen Beispiel illustriert. Die Wahl eines Abschnitts aus dem JohEv — ohne synoptische Parallele — bietet sich schon deswegen an, weil damit die zusätzliche mit der Methode der "Literarkritik" verbundene Frage