Corinna Körting, «Sach 5,5-11 – Die Unrechtmäßigkeit wird an ihren Ort verwiesen», Vol. 87 (2006) 477-492
The article discusses two issues related to the seventh vision of Zechariah. First,
it deals with the question of how a secondary revision of the text — or, more
precisely, the introduction of the women — changes the entire perspective of the
vision. Secondly, this new perspective is looked upon in its cultic aspects and in
its relation to the eight visions. Viewed this way the vision presents a kind of
fundamental liberation of the land and of its inhabitants, without any comparison
in the Old Testament, inasmuch as guilt and wickedness will be taken back to
their place of origin.
Sach 5,5-11 – Die Unrechtmäßigkeit wird
an ihren Ort verwiesen (1)
Das Thema des siebten Nachtgesichts ist die Fortschaffung von Schuld
(ˆw[) (2) und Unrechtmäßigkeit (h[vr) nach Sinear. Die Bilder, die den
Vorgang beschreiben, haben je für sich kaum atl. Parallelen, in dieser
Kombination sind sie einzigartig. Die Bildelemente, das Efa, die Frau
und die geflügelten Frauen sowie deren Deutungen werden einander
kunstvoll zugeordnet. Es ergibt sich daraus ein Erzählfaden, der viele
Fragen offen läßt, jedoch das “Wasâ€, nämlich die Schuld (ˆw[) bzw. die
Unrechtmäßigkeit (h[vr) und das “Wohinâ€, nämlich Sinear pointiert
herausstreicht.
Das Nachtgesicht ist als ein Dialog zwischen Sacharja und dem
Engel, der mit ihm redete, gestaltet. Visionsschilderung und Deutung
einzelner Visionselemente greifen ineinander bis dahin, daß der
Deuteengel in das Bildgeschehen eingreifen kann. In formaler
Hinsicht erweist sich die Vision dennoch als unausgewogen. Daher
sollen Fragen, ein mögliches sekundäres Wachstum der Vision
betreffend, in Form von literarkritischen Vorüberlegungen besprochen
werden. Auf dieser Basis gilt es im zweiten Teil festzustellen,
inwiefern sich eine Grundfassung der Vision vom Efa in den Kontext
der Nachtgesichte Sacharjas einfügt und wie die Ergänzungen die
Lesart erweitern und verändern. Der dritte Abschnitt ist, durch das
Thema der Vision vorgegeben, auf die Besonderheiten des Vorgangs
des Entfernens von Schuld und Unrechtmäßigkeit aus dem Land, wie
auch auf die Einzigartigkeit des Ortes, an den sie gebracht werden,
ausgerichtet. Bezüge zu den anderen Nachtgesichten Sacharjas werden
besonders unter dieser Perspektive hergestellt.
1. Literarkritische Vorüberlegungen
Die Nachtgesichte Sacharjas unterliegen keinem strengen
Formular, so daß eine literarkritische Scheidung allein anhand
formaler Vorgaben für die Gestalt einer visionären Schau nicht
möglich ist. Die Struktur des Textes zeigt dennoch Auffälligkeiten im
(1) Erweiterte Fassung des Vortrages anläßlich des Habilitationskolloquiums
an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen am 27.
Juni 2005.