Stefan Schapdick, «Der gebundene Starke (Mk 3,27) als markinisches Programm einer Umwertung der Werte.», Vol. 95 (2014) 546-569
Mk 3,27 offers various functions within the context of the Second Gospel narrative. First, pertaining to the successful exorcisms of Jesus, it refuses allegations of Jesus being an ally of Satan (Mk 3,22). Mk 3,27 depicts Satan as the incapacitated strong man, no one Jesus might be in league with. Second, by assigning the role of the nameless criminal to Jesus the verse ridicules perceptions which portray him as a religious and social misfit (Mk 3,21-22.30). By acting «feloniously» against Satan and later dying as a convicted felon in Jerusalem Jesus solely executes God’s final soteriological will.
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DER GEBUNDENE STARKE (MK 3,27) 555
Einbruch oder Beutezug nicht eines Starken, sondern gegen einen
Starken Erfolg hat. Zudem wird dieser Erfolg weder infrage gestellt
noch bestraft. Jes 49,24-25 LXX fokussiert sich dagegen darauf, die
negativen Folgen eines Überfalls, ausgeführt von einem Giganten
oder Mächtigen (vgl. PsSal 5,3), durch einen noch Mächtigeren zu
kompensieren. Die Beute soll nicht in der Hand des Übeltäters blei-
ben. Darauf legt Mk 3,27 keinen Wert. Vielmehr soll die Plünderung
des Hausrates eines Starken gelingen und, nochmals, gerade nicht
revidiert werden. Der Starke ist in Mk 3,27 Opfer des Überfalls,
nicht Übeltäter. Dennoch wird ihm keinerlei Recht verschafft; der
Raub bleibt ungestraft. Damit ist die Wertung der Tat als kriminelle
Handlung infrage gestellt. Darüber hinaus fokussiert sich das Wort
im Markusevangelium klar auf die Welt eines Hauses mitsamt
seinem Hausrat (skeu,h). Von Beute (sku/la) wird in Mk 3,27 nicht
gesprochen. In Jes 49,24-25 LXX repräsentieren offensichtlich
Gefangene diese Beute. Wo diese “erbeutet” wurden, wird nicht
weiter konkretisiert. Die Bildwelt von Jes 49,24-25 (vgl. PsSal 5,3)
zeigt im Vergleich mit Mk 3,27 durchaus Gemeinsamkeiten: In
beiden Fällen hat der Starke (Gigant) das Nachsehen. Jedoch ist die
inhaltliche Perspektive deutlich verschoben. Es geht nicht um die
Salvierung von Unrecht (= Konfiskation der Beute), begangen durch
einen Starken, sondern um die Legitimierung einer (scheinbaren)
Unrechtstat gegen den Starken und seinen Besitz (= Erbeutung des
Hausrats) 26. Mk 3,27 ist sicherlich von der Bildwelt aus Jes 49,24-25
LXX inspiriert, stellt jedoch eine eigenständige Adaption dar 27.
26
Vgl. auch EBNER, Jesus, 367.
27
Eine Parallele zu Jes 53,12 ergibt sich dagegen nicht; gegen R. PESCH,
Das Markusevangelium (HThK.NT 2,1; Freiburg – Basel – Wien 51989) 215-
216. Im Zentrum steht dort der Gottesknecht, der die Beute teilt: Entweder
teilt er sie mit Starken bzw. Zahlreichen (masoret. Text: rabbîm) oder er ver-
teilt die Beute von Starken bzw. erhält Anteil an ihr (LXX: tw/n ivscurw/n meriei/
sku/la). In beiden Fällen geht es um den Lohn dafür, dass der Gottesknecht
die Schuld Israels stellvertretend übernommen hat. Die Beute ist folglich po-
sitiv besetzt. Ein Abnehmen der Beute wie in Jes 49,24f steht nicht im Fokus.
Auf den Vorgang des Erbeutens (wie in Mk 3,27) wird nicht eingegangen.
Thematisiert wird das (Ver)teilen der Beute. Dabei sind die rabbîm im maso-
ret. Text als Bild für ein (jetzt vom Schuldgeschick befreites) Israel zu neh-
men. Dagegen bleibt beim LXX-Text eher unklar, wer die Starken sind.
Deutlich ist zumindest die Konzentration auf die positive Gewichtung des
Gottesknechtslohnes als Beute von Starken (vgl. EBNER, Jesus, 367 mit Anm.
95; FRANCE, Mark, 173, Anm. 46).