Harald M. Wahl, «Ester, das adoptierte Waisenkind. Zur Adoption im Alten Testament», Vol. 80 (1999) 78-99
While the adoption of a child in the ancient Near East and Egypt was generally customary, this legal institution is completely absent from the Old Testament nomistic literature. Only in a few narrative texts do we find slight allusions to adoption. Of these texts only Est 2,7.15 suggests the adoption of an orphan by its first cousin. That Israel did not take over this common ancient Near Eastern practice can be explained by its theological self understanding according to which YHWH alone was the guarantor of progeny. That YHWH alone gave life and punished the evildoer with sterility and childlessness was a universally valid principle of Israel's faith found in all theological currents. In the eyes of the exilic and postexilic theologians in particular it would have been a blasphemy to circumvent YHWH's command by a law of adoption. For this reason Israel rejected adoption as a means for securing its continued existence.
Auch religionssoziologische Erwägungen sprechen gegen die Adoption: Ein am Hof als Ägypter erzogener Mose könnte sich nicht für ein Volk verwenden, dem er selbst durch die Adoption und Erziehung bei Hofe rechtlich wie religiös entfremdet worden wäre (so 1 Kön 11,19-20).
2. Gelegentlich wird auch Rut 4,13-17 für die alttestamentliche Adoption geltend gemacht. Nach ihrer Heirat mit Boas gebärt Rut einen Sohn. Die benachbarten Frauen freuen sich mit der Schwiegermutter Noomi über ihr Kindeskind (Rut 4,14-15) und nennen es Obed (V. 17)16. Weiter heißt es
tnm)l wl-yhtw hqyxb wht#$tw dlyh-t) ym(n xqtw
"und Noomi nahm das Kind, und sie legte es in ihren Schoß,
und sie war seine Hüterin".
Daß die Großmutter das Kind auf ihren Schoß legt, ist zweifellos ein üblicher, liebkosender Gestus mit dem sie ihren ersten und einzigen Enkelsohn empfängt. Drei Aussagen macht der Dichter über das Verhältnis von der Großmutter zu ihrem Enkelsohn: 1. Noomi nimmt das Kind und legt es 2. auf ihren Schoß, 3. ist sie seine tnm) "Hüterin".
Die Deutung der Geste ist umstritten: Als Amme kommt Noomi nicht in Frage, die Schwiegermutter Ruts ist zum Stillen viel zu alt. Die Stillzeit ihrer eigenen erwachsenen und inzwischen verstorbenen Söhne liegt Jahrzehnte zurück, Brustmilch hat sie lange nicht mehr (Rut 1,4-5). Wie schon die Mutter Mose stillt vermutlich auch Rut ihren Sohn die ersten Jahre selbst (Ex 2,9). "Daß Naemi Obed an ihren Busen legt, bedeutet im Lichte der Vergleichsstellen soviel wie die Erklärung: ich will dich halten, wie die Mutter ihren Säugling hält"17.
Adoptiert hat Noomi ihren Enkelsohn nicht. Wie in Est 2,7 wählt der Erzähler zwar das Verb xql, allerdings fehlt das zweite Glied in der Redewendung (V. 16). Noomi nimmt das Kind nicht als Sohn an, sie faßt es und legt es auf ihren Schoß (Gen 48,12; Num 11,12; Spr 16,33). Zur Adoption fehlt auch jede Veranlassung: Weder berichtet der Erzähler, daß die Eltern verstorben sind, und das Kind verwaist ist, noch berichtet er von der Freigabe zur Adoption noch