Burkard Zapff, «Sir 38,1-15 als Beispiel der Verknüpfung von Tradition und Innovation bei Jesus Sirach.», Vol. 92 (2011) 347-367
Si 38,1-15 illustrates how Sirach understands the initially disputed institution of the Hellenistic physician. Against the background of traditional Old Testament beliefs and some Stoic concepts of world order, medicine is seen as part of God’s work of salvation. Rejecting it would even amount to a sin. The Hebrew text of Sirach is astonishingly universalistic. There, the physician’s work is similar to that of Moses, and the physician’s prayer, either Hebrew of Hellenistic, is addressed to the one God. By contrast, the Greek text is more traditional, and presents a more negative view of the physician.
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tiken und der Anrufung verschiedener heilender Gottheiten verban-
den, als Konkurrenz zur Alleinverehrung Jhwhs verstanden. Beson-
ders deutlich wird dies anhand von 2 Chr 16,12, einem Text, der
wohl bereits aus hellenistischer Zeit stammt. Dort wird von König
Asa von Juda berichtet, er habe in einer schweren Erkrankung an
den Füßen nicht Jhwh, sondern die Ärzte aufgesucht. Wir erfahren
daraus zweierlei: Nämlich, dass es damals in Jerusalem offenbar
Ärzte gab, und dass der Gang zu ihnen vom chronistischen Theolo-
gen als Abfall von Jhwh gewertet wird. So spiegelt gerade 2 Chr
16,12 recht gut das Problem wieder, vor dem Jesus Sirach stand. Ist
es einem Juden gestattet einen der Ärzte aufzusuchen, die, bedingt
durch die Zugehörigkeit Palästinas zum hellenistischen, d.h.
ptolemäischen bzw. seleukidischen Herrschaftsbereich, offenbar
auch in Jerusalem anzutreffen waren?
Was aber hat es mit diesen im Zuge des Hellenismus auch im
jüdischen Kulturkreis auftretenden Ärzten nun auf sich? Bekannt-
lich hat sich mit dem berühmten Arzt Hippokrates 9, in Griechen-
land ein eigener Ärztestand entwickelt 10, der Medizin als eine Art
frühe Wissenschaft betrieb, insofern man sich nicht lediglich auf
Symptombekämpfung beschränkte, sondern die Zusammenhänge
zwischen verschiedenen Krankheitserscheinungen zu erforschen
suchte. Bekannt sind insbesondere die “Epidemien†des Hip-
pokrates 11, die knappe Beschreibungen von Krankheitsverläufen
9
Ãœber die Lebensgeschichte des Hippokrates ist nur wenig bekannt. Er
soll aus einer alten Asklepiadenfamilie stammen und in Kos die Krankenge-
schichten des Asklepiades-Heiligtums studiert haben. Danach war er vor
allem als Wanderarzt tätig, wobei ihn seine Reisen bis an den Hof des per-
sischen Königs Ataxerxes geführt haben sollen, vgl. W.U. ECKART, Ge-
schichte der Medizin (Heidelberg 52005) 29.
10
Bereits vor Hippokrates gab es medizinische Bemühungen in Grie-
chenland. Man nennt diese Phase die “theurgische Medizinâ€, die durchaus
gewisse Ähnlichkeiten mit dem Verständnis von Krankheit im Alten Israel
aufweist. So unterlag sie der Annahme, dass Krankheit und Gesundheit gött-
lichem Einfluss zuzuschreiben sind. “‚Theurgische Medzin‘ kann demnach
als Wissenschaft vom göttlichen Heilshandeln aufgefasst werden. Ihre prak-
tische Umsetzung erfolgt durch kultische Handlungen an gottgeweihten Stät-
ten (Tempeln)â€, ECKART, Geschichte der Medizin, 21; Ausdruck fanden diese
Heilungsbemühungen vor allem im Asklepioskult.
11
Sie bilden einen Teil des Corpus Hippocraticum. Dabei handelt es sich
um ein Sammelwerk von mehr als 60 Einzelschriften, die allerdings nicht
alle von Hippokrates selbst verfasst wurden. Ausführlicher ECKART, Ge-
schichte der Medizin, 29, 30.