Karl Kirchmayr, «Die Bedeutung von 666 und 616 (Offb 13,18)», Vol. 95 (2014) 424-427
This short article deals with a particular method of calculating the number of the beast (Rev 13,18) without knowing a name. The mathematical procedure consists of converting a given number into a sexagesimal number and adding its digits. The number calculated for the beast is equal to the number of the Tetragrammaton.
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Die Bedeutung von 666 und 616 (Offb 13,18) 1
I. Die Schreibweise von Zahlen im 1. Jh. n. Chr.
“Wer Verstand hat, berechne die Zahl des Tieres” (Offb 13,18). Der
Seher Johannes will damit wohl sagen, dass nicht jeder, der Lesen und
Schreiben kann, auch in der Lage ist, das Rätsel zu lösen. Er wendet sich
an Absolventen der “höheren Schulen” seiner Zeit, die auf Grund ihrer
Ausbildung das Rüstzeug zum Lösen des Rätsels haben sollten. Der Lehr-
plan solcher Schulen ist uns heute nicht mehr genau bekannt, aber auch
die Berechnung des Kalenders dürfte ein wichtiger Unterrichtsgegenstand
gewesen sein.
Das Jahr bei den Juden war ein Mondjahr und hatte ungefähr 354
Tage, war also um 11 Tage kürzer als ein Sonnenjahr. Um trotzdem die
großen Jahresfeste zur richtigen Zeit zu feiern, brauchte man Schalttage
und Schaltzeiten, die für jedes Jahr neu berechnet wurden 2. Das einzige
Volk, das in den vorchristlichen Jahrhunderten über eine wissenschaftlich
fundierte Kalender- und Zeitrechnung verfügte, waren die Babylonier;
deren Wissen lernten die Juden während ihrer Gefangenschaft kennen und
wohl auch schätzen. So ist es sehr wahrscheinlich, dass u. a. die jüdischen
Beamten, die im Synedrium für den Kalender zuständig waren, bei ihren
Rechnungen von den astronomischen Tabellen der Babylonier Gebrauch
machten. Dazu war aber die Kenntnis der babylonischen Schreibweise
von Zahlen notwendig. Dieses Wissen ist auch heute noch die Vorausset-
zung zur Berechnung der Zahl des Tieres 3.
Die babylonische oder “sexagesimale Schreibweise” von Zahlen ist
immer noch, wenn auch nur mehr rudimentär, bei uns zu finden. Wir ge-
brauchen sie, wenn wir Zeiten oder Zeitabstände in Stunden, Minuten und
Sekunden angeben. Im dekadischen System gibt es zehn verschiedenen
Ziffern (0-9), in Analogie dazu würde man im sexagesimalen System
sechzig verschiedene Ziffern brauchen (0-59). Da diese nicht vorhanden
sind, werden die sexagesimalen Ziffern mit zweistelligen, dekadischen
1
Diese Arbeit ist eine Weiterführung und Ergänzung der Veröffentli-
chung: K. KIRCHMAYR, “Das sexagesimale System als Schlüssel zu Zahlen
in der Offenbarung des Johannes”, SNTU 35 (2010) 35-50.
2
P. VOLZ, Die Biblischen Altertümer (Tübingen 1914) 438.
3
Auch griechische Astronomen verwendeten das sexagesimale System
der Babylonier bei der Darstellung von Bruchteilen einer Zahl. Vgl.: T.
HEATH, A History of Greek Mathematics (New York 1981) I, 44-45.
BIBLICA 95.3 (2014) 424-427