Ulrich Victor, «Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums», Vol. 22 (2009) 55-90
In a contaminated manuscript tradition there is no such thing as a 'good' manuscript or a 'good' group of manuscripts. The right reading may be found anywhere in this tradition, even in the smallest parts. There is no other means of deciding between different readings than the tools of philology, and every variant of the text must be considered as a unique case. This will be demonstrated in 33 variants of the text of Matthew's Gospel.
Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums 87
heterogenen Handschriftengruppe als bei Matthäus überliefert wird. Wer
meint, dass o`m` oia,zei die erst später in die Überlieferung eingedrungene
Lesart ist, hätte zu erklären, wie und warum sie, die schwer verständliche
und äußerst ungewöhnliche Lesart, sich in A Q f13 (33) q syp.h. bopt gegen
das ohne alle Schwierigkeiten verständliche dh/lo,n se poiei/ durchsetzen
konnte.
Bei Matthäus (wie auch bei Markus) gehören beide Aussagen (Galilai/
oj ei= und kai. h`` lalia, sou o`m` oia,zei) zum originalen Text.
Anhang
Es gilt unter Klassischen Philologen, deren Alltagsgeschäft das Edie-
ren griechischer und lateinischer Texte ist, seit langem als ausgemacht,
daß in einer kontaminierten Überlieferung jede Lesart der originale Text
sein kann. Ich habe dies in meiner „Textkritik“ (s.Anm. 1) ausführlich
begründet. Bei der Konstituierung des Textes des NT entscheidet man
aber immer noch – entgegen anders lautenden Lippenbekenntnissen –
nach „guten“ Handschriften. Ich zitiere im Folgenden einen Latinisten
und einen Gräzisten zu dieser Frage. R.J. Tarrant, P. Ovidi Nasonis
Metamorphoses (Oxford 2004) XXVI, hat das Problem in sehr knapper
und klarer Weise dargelegt. Nachdem er ein Stemma gezeichnet hat,
schreibt er folgendermaßen: „Sed noli, quaeso, sperare lectiones archetypi
cuiusdam omnium codicum hoc stemmate posse restitui. Nam res longe
aliter se habet., praesertim quia codices antiquiores ita inter se coniuncti
atque implicati sunt ut saepe sit difficile ex eorum consensu uel dissensu
lectionem classis uniuscuiusque dispicere. Unde sequitur ut, ubicumque
codices inter se discrepant aliique alias lectiones praebent, ipsae lectiones
sint ponderandae, non codices“,
(Übersetzung: „Aber man soll nicht erwarten, daß die Lesarten eines
Archetyps aller Handschriften mithilfe eines Stemmas wiederhergestellt
werden können. Denn die Sache ist völlig anders, weil die älteren Hand-
schriften so miteinander verquickt sind, daß es oft schwierig ist, aus
ihrer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung die Lesart einer
jeden Handschriftenfamilie zu ermitteln. Daraus folgt, daß, wo immer
die Handschriften nicht übereinstimmen und jeweils ganz verschiede-
ne Lesarten bieten, die Lesarten selbst beurteilt werden müssen, nicht
die Handschriften.“). Was für eine noch einigermaßen überschaubare
Überlieferung wie die Ovids gilt, gilt natürlich a fortiori für die riesige
Überlieferung des NT.
In vergleichbarer Weise äußert sich E.G. Turner, Greek Papyri. An
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