Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
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Hinrichtungen die Rede ist. Aus diesen Ãœberlegungen sind dann
ausführliche Schlussfolgerungen zu ziehen.
I. Die Todesstrafe im Alten Testament
1. Todesstrafe vs. Blutrache
Kain gilt als der erste Mörder der Menschheitsgeschichte. An
diesem Fall zeigt die Bibel, wie sie die Tötung eines Menschen durch
einen Menschen grundsätzlich sieht: «Das Blut deines Bruders schreit
zu mir vom Ackerboden». Mit diesem Satz stellt Gott gegenüber Kain
(Gen 4,10) fest, dass dies keine Sache allein zwischen Menschen ist,
sondern dass immer Gott mit betroffen ist. Zwischen Menschen ist
ein solcher Mord ein Fall für die Blutrache, vor der Gott Kain
mit einem Zeichen schützen muss (4,14-15). In Gen 9,5-6 sind
menschlicher und göttlicher Aspekt miteinander verknüpft, so dass
deutlich wird, was Gott mit dem Töten eines Menschen durch einen
Menschen zu tun hat: «Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere
ich Rechenschaft, und zwar für das Blut eines jeden von euch. Von
jedem Tier fordere ich Rechenschaft und vom Menschen. Für das
Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem seiner
Brüder. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut wird durch
Menschen vergossen. Denn: Als Abbild Gottes hat er den Menschen
gemacht» (9,5-6) (5). Was hier konstatiert wird, ist das eherne Gesetz
der Blutrache (6). Was als Begründung dahinter steht, ist noch
grundsätzlicher: Wer einen Menschen tötet, vergreift sich am Abbild
Gottes und greift damit in den Kompetenzbereich Gottes ein (7). Das
(5) Zur Stelle vgl. die Kommentare sowie u.a. B. DIEBNER – H. SCHULT, “Das
Problem der Todesstrafe an Tier und Mensch in Genesis 9,5-6â€, DBAT 6 (1974)
2-5; A. ERNST, “‘Wer Menschenblut vergießt…’. Zur Übersetzung von µdab in
Gen 9,6â€, ZAW 102 (1990) 252-253; O.H. STECK, “Der Mensch und die
Todesstrafe. Exegetisches zur Ãœbersetzung der Präposition Beth in Gen 9,6aâ€, TZ
53 (1997) 118-130.
(6) Vgl. dazu u.a. E. MERZ, Die Blutrache bei den Israeliten (BWA[N]T 20;
Leipzig 1916); K. KOCH, “Der Spruch ‘Sein Blut bleibe auf seinem Haupt’ und
die israelitische Auffassung vom vergossenen Blut, VT 12 (1962) 396-416; K.-H.
SINGER, “Blutracheâ€, Neues Bibel-Lexikon I, 311. Rechtstheoretisch steht der
Gedanke der Talion dahinter, vgl. u.a. A. RUWE, “Heiligkeitsgesetz†und
“Priesterschriftâ€. Literaturgeschichtliche und rechtssystematische Untersuchun-
gen zu Leviticus 17,1–26,2 (FAT 26; Tübingen 1999) 336-337.
(7) Vgl. J. GABRIEL, “Die Todesstrafe im Lichte des Alten Testamentsâ€,
Theologische Fragen der Gegenwart. Festschrift Kardinal Dr. Theodor Innitzer