Thomas Hieke, «Das Alte Testament und die Todesstrafe», Vol. 85 (2004) 349-374
Rather than understanding the Old Testament sanction
tmwy twm ("he shall surely be put to death") as a
death penalty edict, one should see it as a parenetic warning. Comparing the
verses which contain mot yumat with the few references to death sentences
and executions, it is to be doubted whether this condemnation was indeed
applicable. The ‘death edicts’ are therefore not ‘law,’ but divine dicta
functioning as deterrents. They formulate things that should not happen under
any circumstances. Hence, they underscore the most important ethical and cultic
maxims.
Das Alte Testament und die Todesstrafe 351
ist die große Überschrift in der biblischen Anthropologie, unter der
alles Folgende zu sehen ist.
Diesen Grundsatz sanktioniert zunächst die Institution der
Blutrache, die nur die Fälle von Totschlag und Mord betrifft. Sie ist
als ein Moment der Selbsthilfe — unabhängig von Rechtsinstitutionen
— von der Todesstrafe zu unterscheiden (8). Die Todesstrafe setzt
bereits ein verfasstes Recht mit den zugehörigen Institutionen und
damit eine gewisse Rechtskultur voraus. Neben den Rechtssätzen, die
bestimmte Tatbestände mit der Todesstrafe sanktionieren, sind
Angaben darüber unabdingbar, wie ein Prozess abläuft, wer am Ende
das Urteil fällt und wie die Hinrichtung durchzuführen ist (9).
2. “Todesrecht†(10)
Das Alte Testament kennt Rechtssätze, die auf die stereotype
Rechtsfolge hinauslaufen: tmwy twm (mË›t y¨mËt: Infinitivus absolutus
Grundstamm + Präfixkonjugation H-Stamm passiv der Wurzel twm
«sterben»). Die Wurzelparonomasie mit dem Infinitiv dient dabei als
modale Verstärkung der Hauptaussage, die wörtlich so übersetzt
werden kann: «er wird gewiss getötet werden» (11). Der Vordersatz
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(Wien 1952) 70. Gen 9,5-6 sei nicht als ein formeller Rechtssatz zu betrachten,
und daher scheide die Möglichkeit aus, dass es darum gehe, einer Obrigkeit das
“Schwertrecht†zuzuteilen und sie zu ermächtigen, Mörder zu töten.
(8) Vgl. dazu u.a. A. BONDOLFI, “Die Todesstrafe: Eine ethisch-theologische
Stellungnahmeâ€, Ethik und Selbsterhaltung. Sozialethische Anstöße (Hrsg. A.
BONDOLFI) (Freiburg/CH – Freiburg i. Br. 1990) 127-128; A. RUWE, “Das
Zusammenwirken von ‘Gerichtsverhandlung’, ‘Blutrache’ und ‘Asyl’.
Rechtsgeschichtliche Erwägungen zu den todesrechtsrelevanten Asylbestimmun-
gen im Hexateuchâ€, Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsge-
schichte 6 (2000) 190-221.
(9) Vgl. u.a. KOCH, “Spruchâ€, 403; H. MCKEATING, “The Development of the
Law of Homicide in Ancient Israelâ€, VT 25 (1975) 46-47; BONDOLFI,
“Todesstrafeâ€, 128; HEIMBACH-STEINS, “Todesstrafeâ€, 201.
(10) Vgl. H. SCHULZ, Das Todesrecht im Alten Testament. Studien zur
Rechtsform der Mot-Jumat-Sätze (BZAW 114; Berlin 1969). Zur
problematischen Wortneuschöpfung “Todesrecht†durch Schulz vgl. u.a. E.S.
GERSTENBERGER, “‘... (He/They) Shall Be Put To Death’. Life-Preserving Divine
Threats in Old Testament Lawâ€, Ex Auditu 11 (1995) 43-61.
(11) E.S. GERSTENBERGER, Das dritte Buch Mose: Leviticus (ATD 6;
Göttingen 1993) 261 u.ö., übersetzt mit “muß sterbenâ€; H.J. BOECKER,
Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament (WMANT 14; Neukirchen-
Vluyn 1964) 144, mit “er soll unbedingt getötet werdenâ€, so auch RUWE,
Heiligkeitsgesetz, 221 u.ö. — Die Septuaginta übersetzt nicht stereotyp mit der
gleichen Wendung, lediglich dort, wo die Formel mehrmals hintereinander