Peter Wick, «Jesus gegen Dionysos? Ein Beitrag zur Kontextualisierung des Johannesevangeliums», Vol. 85 (2004) 179-198
The author of the article intends to show, that not just the episode of the "miracle at Cana" (John 2,1-11), but the gospel of John as a whole disputes in an implicit way the worship of Dionysos, which was wide-spread in Syria and Palestine. Jesus is presented as the true son of god, who surpasses the god Dionysos in every way. John represents the old Jewish tradition of disputing the worship of Dionysos. This dispute implies the rejection as well as the surpassing adoption of Dionysian elements. The author of the gospel strengthens the identity of his communities, which are confronted by the Hellenistic world, by arguing as a scripture-rooted Jew within the symbolic world of the Hellenistic mainstream.
Jesus gegen Dionysos? Ein Beitrag zur Kontextualisierung
des Johannesevangeliums
Diese Untersuchung will eine hintergründige Argumentationsebene
des Johannesevangeliums (wieder) “ins Spiel†der wissenschaftli-
chen Forschung bringen. Unter vielen anderen Argumentations-
strängen läßt sich einer in diesem Evangelium herauskristallisieren,
der sich als jüdisch-christliche Auseinandersetzung mit dem Diony-
soskult fassen läßt. Allerdings wird hier nicht mit einem Frontalan-
griff gegen alles Dionysische polemisiert, sondern vielmehr durch
eine überbietende Rezeption dionysischer Elemente für den Christus
als den einzigen Sohn des einzigen Gottes gestritten. Es wird zu zei-
gen sein, daß eine johanneische Auseinandersetzung mit solchen pa-
ganen Elementen gerade keinen Widerspruch zur Annahme bildet,
das Johannesevangelium sei in einer jüdisch-christlichen Kontro-
verse im Raum Palästina und Syrien im ersten Jahrhundert n. Chr.
entstanden (1). Es gab damals dort schon alte Traditionen der “Diony-
sierung†des israelitischen Gottesbildes. Vieles spricht dafür, daß der
Evangelist im Rahmen einer solchen kulturellen Kontextualisierung
denkt und zugleich geprägt ist von “alten†jüdischen Strategien des
Umgangs mit dem immer wieder bedrängenden und attraktiven
Dionysoskult. Diese Strategien zeichnen sich grundsätzlich nicht nur
durch Abwehr-, sondern auch durch Integrationstendenzen aus. Me-
thodisch wird die Grundlage der neueren kulturwissenschaftlichen
Debatte vorausgesetzt, nämlich daß eine Kultur nie eine in sich ab-
geschlossene Größe ist, sondern immer auch durch Hybridisierun-
gen mit anderen Kulturen entstanden ist.
1. Forschungsgeschichte
Die Geschichte vom Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana in Joh
2,1-11 gab im letzten Jahrhundert immer wieder Anlaß, nach
dionysischen Einflüssen zu fragen. Bultmann war nicht der erste, der
die Hypothese vertrat, daß es sich dabei um die Übertragung des
(1) K. WENGST, Das Johannesevangelium (Theologischer Kommentar zum
Neuen Testament; Stuttgart 2000) I, 21-26.