Dieter Böhler, «Liebe und Freundschaft im Johannesevangelium. Zum alttestamentlichen Hintergrund von Joh 21,15-19», Vol. 96 (2015) 599-608
This article argues that Jesus' threefold question to Peter in John 21,15-17 is not the same question posed three times but, rather, three different questions of which only the last one gets a clear "Yes". Jesus asks Peter if by now he had reached that love which is ready to give one's life for a friend. In John 13,37 Peter had professed loudmouthed that he was ready. In John 21,15-17 he acknowledges that he is not ready yet.
07_AN_Böhler_599-608_599-608 14/12/15 11:48 Pagina 602
602 DIETER BÖHLER 602
II. “Schafe hüten und weiden” in Ezechiel 34
Die von Johannes mit ständigen Variationen benutzten Vokabeln
pro,bata, poimai,nein und bo,skein dominieren das Hirtenkapitel des Pro-
pheten Ezechiel. Wie unsere Szene in Johannes 21 handelt es von einem gött-
lichen Hirtenauftrag an die Führung des Gottesvolkes, eben dieses Volk,
die Herde, zu hüten und zu weiden. Ein Auftrag, dem Ezechiels Adressa-
ten nicht nachgekommen waren. Ein jüdischer Autor wie Johannes konnte
das Thema der Hirten und der Herde gar nicht behandeln, ohne Ezechiel
34 im Blick zu haben. Das hatte er schon in der Hirtenrede Johannes 10 nicht
gekonnt 17.
In Ezechiels Hirtenrede findet sich das Substantiv poimh,n sechzehn Mal,
das Verbum poimai,nein zwei Mal (34,10.23) 18. Das Verbum bo,skein
steht neun Mal auf dem engen Raum von 15 Versen (34,2-16). Das Schaf
(pro,baton) kommt insgesamt 23 Mal vor, davon jedoch 15 Mal in der
Formulierung “meine Schafe” (pro,bata, mou), die sich so fast nie außerhalb
von Ezechiel 34 findet 19. Eine Formulierung wie “meine Schafe hüten/
weiden” (poimai,nein / bo,skein ta. pro,bata, mou) steht im ganzen AT
überhaupt nur in Ezechiel 34 20. Sie wird nur in Johannes 21 wiederkehren.
Ezechiel behandelt unter dem Bild des Weidens (bo,skein) und Hütens
(poimai,nein) der Schafe (pro,bata) die (versäumte) Pflicht der Hirten,
im Auftrag Gottes für die Herde (ta. pro,bata, mou) zu sorgen. Ezechiel
unterscheidet dabei zwischen starken und schwachen Schafen 21. Die Hirten
hätten die starken Tiere nicht misshandeln und ausbeuten sollen, die
schwachen pflegen und aufpäppeln. Wenn nun Jesus in Joh 21,15-17 in
offensichtlicher Bezugnahme auf Ezechiels Hirtenrede vom poimai,nein
und bo,skein der pro,bata und avrni,a spricht, hat er sehr wohl den beim
Propheten gemachten Unterschied zwischen starken und schwachen Tieren,
zwischen Hüten (poimai,nein) und Füttern (bo,skein) im Auge. Die vom
Evangelisten kunstvoll gestaltete Variation poimai,nein / bo,skein ―
pro,bata / avrni,a ruft in drei sehr kurzen und einfachen Formeln in 21,15-
17 das ganze Thema Ezechiels wieder auf mit allen dort behandelten Nuancen
und Differenzen zwischen zwei Sorten von Schafen und zwei Weisen,
17
Vgl. J. GNILKA, Johannesevangelium (NEB; Würzburg 41993) 81-83.
18
Dazu poi,mnion in 34,12.31.
19
Nur noch Jer 10,20; 22,2. In Ezechiel 34 noch zusätzlich mou ta. pro,bata
in 34:6 und pro,bata poimni,ou mou, in 34,31.
20
bo,skein pro,bata, mou (dreimal, davon zweimal negiert) in 34,3.8.15;
poimai,nein pro,bata, mou in 34,10.
21
Vgl. Ez 34,4.16: hvsqenhko.j und ivscuro,n. Von avrni,a redet das AT prak-
tisch nie. Im AT kommen sie nur viermal vor, im NT fast nur in der Offb.
Wenn Das AT (LXX) von “Lämmern” spricht, heißen sie avmno,j und avmna,j
(fem.).