Christian Blumenthal, «Der höchste Gott und König Ptolemaios IV. Philopator: Beobachtungen zur erzählerischen Entfaltung des Gottesbildes in 3Makk», Vol. 97 (2016) 360-374
Very few scholars have analyzed the image of God in 3Macc, and studies of the narrative unfolding of this picture are nearly completely missing. This article examines the structure of the plot and the main characters in order to show that in the four "Erzählbögen" present in the narrative the central opposition is not that of King Ptolemy versus the Jewish people, but that of King Ptolemy versus the God of the Jewish people. At the end of the account -- and this is the event with the highest degree of "Ereignishaftigkeit" -- King Ptolemy acknowledges the power of Israel's God.
DER HöCHsTE GOTT UND KöNIG PTOLEMaIOs IV. PHILOPaTOR 371
kai. metestra,fh tou/ basile,wj h` ovrgh. eivj oi=kton kai. da,krua u`pe.r tw/n
e;mprosqen auvtw|/ memhcaneume,nwn (6,22). Insbesondere durch die Tat-
sachen, (1) dass dem Zusammenspiel von königlicher Provokation ge-
gen die Juden und der darauf folgenden göttlichen Reaktion in den Er-
zählbögen 1–3 das Moment des Iterativen anhaftet und (2) dass Gottes
Eingreifen zugunsten seines Volkes nicht gegen die narrative Doxa 43
verstößt, wird Raum geschaffen, die in 6,22 präsentierte Zustandsver-
änderung im königlichen Denken pointiert als das schlichtweg unab-
sehbare und imprädikable Geschehen mit einem Höchstmaß an Ereig-
nishaftigkeit in der erzählten Welt in 3Makk auszuweisen 44. In anbe-
tracht der regelmäßigen Konstatierung der königlichen Wut gegen die
göttlichen Interventionen zugunsten des Tempels und der Diasporaju-
den wäre allenfalls zu erwarten, d.h. der narrativen Doxa entspre-
chend, dass Gott als mächtigere Instanz den König zum ablassen von
seinem Vernichtungsplan zwingt, nicht aber dass er umdenkt und sich
schließlich sogar positiv gegenüber dem Gott Israels und den jüdischer
Einwohnern seines Reiches positioniert. Das Moment des Unvorher-
sehbaren wird noch durch den Rückgriff auf eine schematisierte Ge-
schehenspräsentation (stichwort: hohes Maß an Iterativität) verstärkt:
Je häufiger der König als entschlossener Gegner der Juden gezeichnet
wird, der sich vermeintlich durch nichts von seinen Plänen abbringen
lässt, umso größer ist das Überraschungsmoment, dass er schließlich
doch zu einem Umdenken und zu einer vollkommen veränderten Ein-
schätzung bezüglich des Gottes Israel kommt.
Dabei dient die ausführliche Präsentation seines Verhaltens nach
dem Ereignis des Umdenkens — man denke nur an sein Zugeständnis
in 6,37-40 und seinen Brief an die Generale in 7,1-9 — der absiche-
rung der Tatsache, dass der König zu einer Einsicht gelangt ist, die je-
den Rückfall in frühere Denkmuster ausschließt (Merkmal der Irrever-
sibilität). auf den Punkt gebracht wird diese grundlegende Positions-
veränderung (metestra,fh) in den von Ptolemaios in 6,28; 7,6 und 7,9
getätigten Gottesaussagen, welchen im theologischen Entwurf des
3Makk aufgrund der Position ihres sprechers und ihrer Verknüpfung
mit dem Geschehen mit höchster Ereignishaftigkeit eine herausragen-
43
D.h.: „dem in der jeweiligen narrativen Welt allgemein Erwarteten“ (sCHMID,
Elemente, 14).
44
Mit Blick auf dieses Umdenken spricht N. CLayTON CROy, „Disrespecting
Dionysus: 3 Maccabees as Narrative satire of the God of Wine“, Scriptures and
Traditions. Festschrift Carl R. Holladay (Hrsg. P. GRay – G.R. O’Day) (NT.s 129;
Leiden – Boston 2008) 3-19, hier 4 von „a remarkable change of heart“.