Joachim Becker, «Zur Deutung von Jes 45,11b», Vol. 88 (2007) 100-109
In Isa 45,11b no conjecture may be prefered to masoretic s]e)a4lu=n|= and ha4)otiyyo]t, and the masoretic division of the sentence should be maintained. Special attention is payed to a comparison of Isa 45,9-13 with 41,21-29 and to the meaning of s[iwwa] (al and po(al ya4day. The sentence may be translated as follows: “For the future things ask me, the leading of my sons, which are the work of my hands, commit to me”. The sentence seems to be adressed to the people of Israel.
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wäre po¿al in 41,24, analog zu po¿al yËday in 45,11b, die Anhängerschaft, das
“Volk†der Gõtzen. Dem entspräche, daß die Anhängerschaft anschließend in
41,24b als “Greuel†hingestellt wird (23).
5. Nähere Inhaltsbestimmung.
Auch nach den getroffenen Entscheidungen ist die Aussage von Jes
45,11b nicht vollends deutlich. Handelt es sich vielleicht um eine in
wohlwollender Ironie ausgesprochene Aufforderung, über den Gott Israels,
bei dem alle Macht ist (vgl. 45,12-13) zu verfügen? Im vorausgehenden
Kontext (45,9-10) wird ein solches Ansinnen zwar als absurd hingestellt; aber
das könnte die ironische Aufforderung geradezu vorbereiten wollen. Die erste
Satzhälfte von 45,11b würde also besagen: “Über die künftigen Ereignisse
stellt mich nur ruhig zur Redeâ€. Das Verbum Ï€Ë÷al “fragen†kann die hier
vorausgesetzte Bedeutung annehmen (24). Die zweite Satzhälfte würde
hinzufügen: “Gebt mir die Befehlsgewalt über meine Söhne, das Werk meiner
Händeâ€.
Den Vorzug verdient jedoch eine Inhaltsbestimmung, die sich
folgendermaßen paraphrasieren läßt: Ihr, die ihr unbefugt und zu nichts
imstande seid (vgl. 45,9-10), ihr habt, was die kommenden Dinge betrifft,
keine andere Wahl, als sie bei mir zu erfragen; denn niemand außer mir
vermag das Kommende vorherzusagen (25); ferner müßt ihr es mir überlassen,
über mein Volk zu gebieten, denn ich allein verfüge über alle Macht, mit der
ich unter anderem den Kyrus erwecke (vgl. 45,12-13) (26).
Dem Verbum Ï€Ë÷al kommt also in 45,11b nicht etwa die Bedeutung “zur
Rede stellen†zu; es hat vielmehr in der normalen Bedeutung “erfragen, sich
erkundigen†seine Funktion im Rahmen der Vorhersagethematik (27). In
gleicher Bedeutung und Funktion kommt Ï€Ë÷al auch in 41,28 vor,
bezeichnenderweise in dem mit 45,9-13 inhaltlich verwandten Abschnitt
41,21-29, wo vor allem noch die kommenden Dinge und die Erweckung des
Kyrus zur Sprache kommen (28). In 41,28 stellt Jahwe fest, daß er keine
(23) In yibh≥ar bËkaem, von tô¿ebâ durch den Akzent t≤ifhâ‰¥Ë getrennt, haben wir einen
asyndetischen Relativsatz, der als Subjekt des Satzes fungiert. Zu übersetzen ist also: “Ein
Greuel ist, wer euch erwähltâ€. Weniger wahrscheinlich ist die Textauffassung: “Einen
Greuel erwählt man in euchâ€.
(24) Vgl. Dtn 13,15 (“gerichtlich befragen, verhörenâ€) und Ps 35,11 (“anklagen,
bezichtigenâ€). Recht geläufig ist die Bedeutung “verhören†beim aramäischen Ï€e÷el (im
Passiv) in außerbiblischen Texten; vgl. E. VOGT, Lexicon linguae aramaicae Veteris
Testamenti documentis antiquis illustratum (Roma 1971) s.v. Zum akkadischen Ï€a÷Ëlû vgl.
TH. H. GASTER, “Short Notesâ€, VT 4 (1954) 73, wo mit dem Blick auf Ps 35,11 ein
einschlägiger Beleg angeführt wird.
(25) Vgl. die Angaben in Anm. 5. Daß sie das Kommende nicht vorhersagen können,
wird nicht nur den Völkern und ihren Götzen vorgehalten sondern auch Israel, implizit in
42,9; 43,12; 44,8 und 46,10-12 sowie ganz deutlich in 48,1-16.
(26) Die Übersetzung von BARTHÉLEMY, Critique textuelle, 342 (“Vous pouvez
m’interroger sur l’avenir, mais, pour ce qui est du sort de mes fils et de l’ouvrage de mes
mains, laissez m’en la chargeâ€) ist insofern zu beanstanden, als sie die erste Vershälfte im
Gegensatz zur zweiten als Konzession hinstellt.
(27) LEENE, “Universalismeâ€, 330, meint zu Unrecht, daß der Aspekt der Vorhersage in
45,9-13 fehlt.
(28) Vgl. Nr. 2 sowie Nr. 4, gegen Ende.