Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
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6,9 ... als Sterbende und siehe wir leben.
4,10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu ... damit auch das Leben Jesu an
an unserm Leibe, ... unserm Leibe offenbar werde.
4,11 Denn wir, die wir leben, werden ... damit auch das Leben Jesu
immerdar in den Tod gegeben offenbar werde an unserm
um Jesu willen, ... sterblichen Fleisch.
Wer aber sein Leben verliert der wird’s erhalten bzw. finden.
um meinetwillen
Die Entsprechungen sind nicht zu übersehen: “das Sterben Jesu am
Leib tragen†und “als Lebende in den Tod gegeben†erinnern an den
Verlust der yuchv in Satz (2a), und die Charakterisierung “um Jesu
willen†(dia; ΔIhsou'n [V. 11]) ist als Parallele zum synoptischen e{neken
ejmou' zu lesen. Das “Leben Jesuâ€, das sich am Leib bzw. im Fleisch
offenbart, ist dann mit dem Finden des Lebens in Satz (2b) zu
verbinden. Es soll im Übrigen nicht unerwähnt bleiben, dass es hier
nirgends um die Abwendung einer Todesgefahr geht, sondern um einen
fortwährenden Vorgang in diesem Leben (95).
Zwischen diesen beiden Belegen (2 Kor 4,10-11; 6,9) findet sich
dann nicht nur die bereits vermerkte Aussage in 5,15, sondern auch
diejenige in 5,17: “Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.†Parallelen können
auch hier benannt werden: Dass Satz (1a) Altes bezeichnen soll, dem in
Satz (2b) Neues gegenüber steht, liegt auf der Hand; dort wird der
Verlust mit ajpovllumi, hier mit parevrcomai artikuliert; dem Ãœbergang
durch ein Verzicht auf ein swvzein th;n yuch;n aujtou' im Jesus-Logion
entspricht bei Paulus eine Neuschöpfung, und dabei korrespondiert
dem e{neken ejmou' das ejn Cristw/'. Dass Paulus nicht rein
individualistisch verstanden werden darf, zeigt die Terminologie, die
mit ta; ajrcai'a und kainh; ktivsi" den Gedanken eines neuen Äons zum
Ausdruck bringt (96), ähnlich wie das bei der Verkündigung Jesu durch
basileiva tou' qeou' signalisiert wird.
Dürfen die genannten paulinischen Aussagen als Anklang an unser
Paradoxon oder gar als dessen Verarbeitung verstanden werden, so ist
das auch für unsere Frage nach Leben und Tod im jesuanischen Logion
von Relevanz. Paulus bringt ja eine lebensverändernde Erfahrung zum
(95) Inwiefern die Aussage “Wir tragen das Sterben Jesu an unserm Leibe“ als
Nachhall der Aufforderung zur Aufnahme des Kreuzes (Mk 8,34; Mt 16,24; Lk
9,23) zu verstehen ist, wäre zu prüfen.
(96) Vgl. dazu nur MARTIN, 2 Corinthians, 152; V.P. FURNISH, II Corinthians
(AB 32A; New York u.a. 1984) 332-333.