Lukas Stolz, «Das Einführen des Erstgeborenen in die 'oikoumene' (Hebr 1,6a)», Vol. 95 (2014) 405-423
The meaning of the firstborn's ei)vsagwgh/ into the oi)koume/nh in Hebrews 1,6a is greatly disputed. Proposed interpretations are the presentation of the Son after the creation, his incarnation, his baptism, his exaltation and his parousia. The arguments seem to speak for the lastmentioned and against the currently very popular exaltation reading.
05_Stolz-co_405_423 28/10/14 10:45 Pagina 422
422 LUKAS STOLZ
David (vgl. V.21) “zum Erstgeborenen” machen wird (prwto,tokon
qh,somai), “zum Höchsten unter den Königen der Erde” (u`yhlo.n
para. toi/j basileu/sin th/j gh/j). Ein wichtiges Argument für eine
christologische Interpretation jenes Psalmverses durch den auctor
ad Hebraeos ist die Tatsache, dass er unmittelbar vor Hebr 1,6 aus
1 Chr 17,13 (bzw. 2 Sam 7,14) folgenden Satz zitiert (Hebr 1,5b):
“Ich werde ihm Vater und er wird mir Sohn sein”, und dass auf der
anderen Seite in PsLXX 88,27 Jahwe sagt: “Er [David] wird mich
anrufen: Mein Vater bist du”. Diese Ähnlichkeit kann kaum Zufall
sein. Selbst Weiss, der wie gesehen die Inthronisationsthese vertritt,
sieht sich unter diesem Argument genötigt, bei prwto,tokoj in Hebr
1,6 auf PsLXX 88,28 zu verweisen; er erkennt mit Recht einen Mo-
tivzusammenhang von VV.2.5.6 und versteht unter prwto,tokoj
gemäss einer an die LXX angelehnten Messianologie den Erstge-
borenen als messianischen König 81. Die Anlehnung von prwto,tokoj
in Hebr 1,6 an PsLXX 88,28 schliesst dann auch die von Andriessen
postulierte Verknüpfung mit Dtn 6,10 bzw. 11,29 und seine These
der typologisch interpretierten Einführung Israels in das verheissene
(himmlische) Land aus 82. Wenn nun der auctor ad Hebraeos in
Hebr 1,6 im Erstgeborenen nach Ps 89,28 den “Höchsten der
Könige der Erde” sieht (vgl. die Parallele in Offb 1,5 83), dann
spricht dies sehr dafür, dass er mit dessen eivsagwgh, in die oivkoume,nh
die Parusie Christi vor Augen hatte, die ihn als Erben aller Königreiche
und Weltherrscher offenbaren wird 84. Dass der Hebr neben der primären
Bedeutung des Erstgeborenen als Allerben und Weltherrscher
möglicherweise auch noch weitere Bedeutungen im Blick hatte,
wie z. B. die “einzigartige Nähe des Sohnes zum Vater” 85 oder dessen
81
Vgl. WEISS, Hebräer, 163. Den Bezug von Hebr 1,6 zu PsLXX 88,28
sehen z. B. auch MICHEL, Hebräer, 113f; PFITZNER, Hebrews, 54; MCKNIGHT,
Hebrews, 48 und THOMPSON, Hebrews, 54.
82
Die These ist auch inhaltlich (oivkoume,nh ist in Hebr 1,6 nicht das [ver-
heissene] himmlische Land, siehe oben) und sprachlich (prwto,tokoj statt
se, oivkoume,nh statt gh/ und die Ergänzung von pa,lin sind m. E. zu viele an-
genommene Veränderungen) nur schwer haltbar.
83
Jesus Christus wird an dieser Stelle als o` prwto,tokoj tw/n nekrw/n kai. o`
a;rcwn tw/n basile,wn th/j gh/j bezeichnet, was offenbar eine Anlehnung
an PsLXX 88,28 darstellt.
84
Siehe auch HOFIUS, Christushymnus, 91f.96.
85
Vgl. BACKHAUS, Hebräer, 97.