Lukas Stolz, «Das Einführen des Erstgeborenen in die 'oikoumene' (Hebr 1,6a)», Vol. 95 (2014) 405-423
The meaning of the firstborn's ei)vsagwgh/ into the oi)koume/nh in Hebrews 1,6a is greatly disputed. Proposed interpretations are the presentation of the Son after the creation, his incarnation, his baptism, his exaltation and his parousia. The arguments seem to speak for the lastmentioned and against the currently very popular exaltation reading.
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DAS EINFÜHREN DES ERSTGEBORENEN IN DIE oivkoume,nh 421
4. Der Titel prwto,tokoj
Zuletzt soll nun auch noch auf die Frage eingegangen werden,
was man aus dem Gebrauch von o` prwto,tokoj in der Bedeutung
von “Erstgeborener” 77 für Argumente ableiten darf. Wie gesehen
ist für Grässer prwto,tokoj in Hebr 1,6 kein “sachgemässer” Titel
für den wiederkommenden Christus, wohl aber für den Erhöhten
als Allerbe (1,2) und Vorläufer (6,20) bzw. Erlöser (durch die Erhöhung,
vgl. z. B. 4,14) seiner Brüder 78. Mit Recht stellt Grässer sogleich
den Bezug zu Hebr 1,2 her. Es ist m. E. nämlich sehr naheliegend,
dass der auctor ad Hebraeos mit prwto,tokoj in Hebr 1,6 auf den
nur vier Verse vorher erwähnten Allerben (1,2: klhrono,moj pa,ntwn)
rekurriert, zumal er den Begriff ohne Zusatz verwendet (anders z. B.
in Kol 1,15.18: prwto, t okoj pa, s hj kti, s ewj bzw. ev k tw/ n
nekrw/n). Hebr 12,16 mit der Erwähnung des Erstgeburtsrechts
(prwtoto,kia) von Esau als dem Erstgeborenen zeigt auf jeden Fall,
dass er den Zusammenhang von Erstgeburt und Erbschaft vor
Augen hatte.
Dass in Hebr 1,2 die Allerbschaft im Zusammenhang mit der
Erhöhung erwähnt wird (vgl. die Parallelität von e;qhken
klhrono,mon und evka,qisen evn dexia/| in 1,3), heisst nun aber nicht
sogleich, dass prwto,tokoj im Sinne des Erben nicht zur Parusie
Christi passen würde. Im Gegenteil: Hebr 1,13 und 2,5-8 zeigen,
dass die Vollendung bzw. Realisierung der Allerbschaft (und der
damit zusammenhängenden Allherrschaft) des Sohnes noch
aussteht und erst mit der Parusie kommt, wenn der Erhöhte “sein
Erbe in Besitz nimmt” 79. Ähnlich sieht es z. B. auch Käsemann, wenn
er zu Hebr 1,6 schreibt: “Jedenfalls bedeutet diese Endproskynese
sachlich die öffentliche Besitzergreifung der Weltherrschaft, die
Christus bei seiner […] Erhöhung […] bereits zugesprochen war” 80.
Für eine solche Deutung von prwto,tokoj als dem kommenden
Erben der Weltherrschaft spricht auch der sehr wahrscheinliche
Bezug von Hebr 1,6a zu PsLXX 88,28, wo Jahwe verheisst, dass er
of Hebrews in Its Ancient Contexts (eds. R. BAUCKHAM – D. DRIVER u. a.)
(LNTS 387; New York – London 2008) 9-18.
77
Vgl. W. MICHAELIS, “prwto,tokoj”, TWNT VI (1959) 872-882.
78
Vgl. GRÄSSER, Hebräer, 78.
79
Vgl. STROBEL, Hebräer, 23.
80
Vgl. KÄSEMANN, Gottesvolk, 69.