Wolfgang Fenske, «Aspekte Biblischer Theologie dargestellt an der Verwendung von Ps 16 in Apostelgeschichte 2 und 13», Vol. 83 (2002) 54-70
The author in his study of the appropriation of Ps 16 in Acts 2 brings out various aspects of biblical theology. The Hebrew text was just as important for the development of christological doctrines as was the LXX. The christian appropriation of the texts continues what had always been happening with the texts which are painted over on the basis of a new experience of God’s activity in Jewish history. It is the task of exegesis to draw out these steps towards the formulation of a creed, with a view to appreciating God’s activity in particular historical situations. In the OT Christians recognize God’s activity which is, however, not confined within the OT/NT but is actualized by those who appropriate it. In this way the texts’ claim to validity is confirmed and they become verifiable in the present. The question of whether the OT should be understood from the perspective of the NT or vice versa becomes irrelevant, for from the perspective of appropriating texts what counts is that the reading of one text influences the interpretation of another. Christian texts through their appropriation of the OT require adherence to it. The union of OT/NT remains nevertheless fraught with tension. This is not, however, a theme in the relationship of Jews and Christians but belongs to christology.
Auferstehung Jesu nur herstellen konnte, weil die Septuaginta gegenüber dem hebräischen Text neue Akzente gesetzt hat, d. h. von "Verwesung" statt von "Grab" spricht. Läßt sich diese Aussage bestätigen?
In der so genannten Pfingstpredigt des Petrus (Apg 2) wird Ps 16 zitiert, um zu belegen, daß Jesus nicht verwest ist (Apg 2,25-28). Daran schließt sich eine Auslegung an, in der es heißt: "Ihr Männer, Brüder, laßt mich freimütig zu euch reden von dem Erzvater David. Er ist gestorben und begraben und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag" (V. 29). Und es folgt eine Neuzusammenstellung von Worten des Psalms: "Er ist nicht dem Hades überlassen, und sein Leib hat die Verwesung nicht gesehen" (V. 31).
Stimmt die oben genannte These, daß der Psalm nur verwendet werden konnte, um die Auferstehung Jesu zu belegen, weil er von Lukas der Septuaginta entnommen wurde? Wohl kaum. Das wird daran deutlich, daß die dem Psalmzitat angeschlossene Auslegung in V. 29 nicht von der Verwesung spricht, sondern vom Grab, in Aufnahme des hebräischen Textes. Von der Verwesung wird nur noch einmal im wiederholten, leicht veränderten Zitat V. 31 gesprochen. Das heißt, daß die Tradition des Lukas den hebräischen Text verwendet hatte. Erst Lukas hat den Aspekt der "Verwesung" hineingebracht, weil er für seine griechisch-sprechenden Adressaten die Septuaginta zitierte3.
Eine Unsicherheit dieser Darlegung besteht darin, daß der Hinweis auf das Grab nicht unbedingt vom Psalm abhängig sein muß, sondern adressatenorientiert wirklich auf eine bekannte Tatsache anspielen kann (so nennen Kommentare überwiegend die lokale Grab David Tradition). Wenn dem so sein sollte, dann weist das ebenso auf eine vorlukanische Jerusalemtradition hin. Die Wahrscheinlichkeit, daß auch dann der hebräische Text die Grundlage geboten hat, wäre groß. Mir scheint, daß eher eine nachweisbare Abhängigkeit von der alttestamentlichen Überlieferung vorliegt, als die doch zufallsbedingte Adressatenorientierung. Vor allem stellt sich die Frage, warum Lukas, der ja nicht die Jerusalemer anspricht, diesen Hinweis aufgenommen, gar selbst formuliert haben