Wolfgang Fenske, «Aspekte Biblischer Theologie dargestellt an der Verwendung von Ps 16 in Apostelgeschichte 2 und 13», Vol. 83 (2002) 54-70
The author in his study of the appropriation of Ps 16 in Acts 2 brings out various aspects of biblical theology. The Hebrew text was just as important for the development of christological doctrines as was the LXX. The christian appropriation of the texts continues what had always been happening with the texts which are painted over on the basis of a new experience of God’s activity in Jewish history. It is the task of exegesis to draw out these steps towards the formulation of a creed, with a view to appreciating God’s activity in particular historical situations. In the OT Christians recognize God’s activity which is, however, not confined within the OT/NT but is actualized by those who appropriate it. In this way the texts’ claim to validity is confirmed and they become verifiable in the present. The question of whether the OT should be understood from the perspective of the NT or vice versa becomes irrelevant, for from the perspective of appropriating texts what counts is that the reading of one text influences the interpretation of another. Christian texts through their appropriation of the OT require adherence to it. The union of OT/NT remains nevertheless fraught with tension. This is not, however, a theme in the relationship of Jews and Christians but belongs to christology.
II. Wechselseitige Beeinflussung Lesender durch alttestamentliche wie neutestamentliche Texte
Die Verbindung beider Testamente wird heute vorausgesetzt und so wird gefragt: Wird das Alte Testament im Licht des Neuen oder das Neue im Licht des Alten10 gelesen11?
Wir haben damit Vorstellungen vorliegen, die von einer Art linearen Lesens ausgehen, d. h. entweder wird betont, daß das Alte Testament zeitlich vor dem Neuen da war — oder andersherum: Christen glauben aufgrund neutestamentlicher Verkündigung und lesen von dieser Perspektive aus das Alte Testament.
Aus der Perspektive der Rezeption ist der Sachverhalt anders zu beurteilen. Es ist vielmehr so, daß ein Mensch einen Text liest — ihn aber aus seiner Lebenssituation heraus liest — und somit diese in den Text hineinliest. Gleichzeitig spricht der Text in die Lebenssituation der Lesenden. Mit Blick auf unser Thema gesagt: Christen lesen das Alte Testament aus ihrem Glauben heraus — doch gleichzeitig beeinflußt das Alte Testament den Glauben. Und alles beginnt wieder von vorne: Aus diesem durch das Alte Testament veränderten Glauben heraus lesen Glaubende das Alte Testament und werden wiederum von diesem beeinflußt. Es handelt sich also um eine Art Lesen mit einander fortschreitender Beeinflussung.
Dohmen bietet einen Ansatz solchen Lesens, wenn er sagt, die Bibel sei vom Alten zum Neuen Testament hin zu lesen, doch dann vom Neuen Testament aus12. Damit will er die Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament aufrecht erhalten, gleichzeitig will er das Alte Testament in seinen ursprünglichen Aussagen würdigen,