Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
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und den sog. Vergänglichkeitsaussagen (Ps 89,47-48; vgl. Ps 78,38-
39; 90,7-12; 103,8.14; Jes 57,16).
Gestützt wird dieser Nexus vom Zorn Gottes und dem Tod des
Menschen durch die Stellen, in denen der Beter JHWH zum Zorn
gegen seine Feinde aufruft, damit diese vernichtet werden und dem
Reich des Todes verfallen. So sehnt sich der bedrängte Beter in Ps
69,25-29 danach, JHWH möge seinen Zorn auf seine Widersacher
ausgießen, so dass ihr Lagerplatz veröde und sie aus dem Buch des
Lebens getilgt würden (71) (vgl. Ps 21,10-11; 37,8-10; 58,10; 110,5).
Andererseits kann der göttliche Zorn auch zur Errettung des Beters
dienen (Ps 18,8-9.17).
Wie kaum sonst in der altorientalischen Umwelt sah sich der Beter
in Israel dem göttlichen Zorn ungeschützt gegenüber; dies nicht
zuletzt deshalb, weil es ihm verwehrt war, diesen Zorn — wie in der
Umwelt möglich — durch magische Riten von sich abzuwenden (72).
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, in der Zukunft
JHWHs Zugewandtheit erneut erfahren zu dürfen. Gerade aus der
Erfahrung des göttlichen Zornes nährt sich im Psalter die tiefe
Sehnsucht nach dem verläßlich treuen Gott (vgl. Ps 85,4-8). Somit
prägen JHWHs Zorn und seine Güte das biblische Gottesbild in
hohem Maße. Diese Spannung liegt nicht zuletzt im monolatrischen
bzw. monotheistischen Bekenntnis Israels zu JHWH in seiner
polytheistischen Umwelt gegründet, da JHWH sowohl die Züge der
nahen, lebensdienlichen als auch der fernen, lebensfeindlichen
Gottheit in sich vereinigt. Diese religionsgeschichtliche Erkenntnis
stellt aber erst die Voraussetzung, nicht jedoch schon die Lösung für
die Frage nach der theologischen Bedeutung des göttlichen Zornes
dar (73). Die nachfolgenden Ãœberlegungen wollen daher als Einladung
(71) Dazu A. GROENEWALD, Psalm 69. Its structure, redaction and
composition (Altes Testament und Moderne 18; Münster 2003).
(72) Dazu H. STADHOUDERS, “Een assyrisch rituaal om van de toorn der
Goden te verlossen, afkomstig uit het oude Sultantepeâ€, Kleine Encyclopedie van
de Toorn, 115-127; T. ABUSCH, “Witchcraft and the Anger of the Personal Godâ€,
Mesopotamian Magic and Textual, Historical, and Interpretative Perspectives
(Hrsg. T. ABUSCH – K. VAN DER TOORN) (Ancient Magic and Divination 1;
Groningen 1999) 83-121.
(73) Zu Recht betont H.-J. HERMISSON, Alttestamentliche Theologie und
Religionsgeschichte Israels (ThLZ.F 3; Leipzig 2000) 67, dass der Alttesta-
mentler nicht aus der Pflicht entlassen sei, “…nach der theologischen Relevanz
seiner Ergebnisse zu fragenâ€.