Markus Lau, «Die Legio X Fretensis und der Besessene von Gerasa. Anmerkungen zur Zahlenangabe “ungefähr Zweitausend” (Mk 5,13)», Vol. 88 (2007) 351-364
The military background of Mk 5,1-20 points to the Legio X Fretensis, which has been active in the Jewish War and whose ensign, a boar, matches the swines mentioned in Mk 5,1-20. However, the figure 2000, which is mentioned to give the size of the herd, does not correspond to this context. Roman legions consisted of about 5000-6000 soldiers. This contradiction can only be resolved, when the history of the Legio X is taken into consideration. In 66 AD a vexiliation of this Legio X, consisting of 2000 soldiers, was involved in fights with Jewish insurgents (Jos., Bell. 2,499-506). These details go well with the allusions in Mk 5,1-20 to the Legio X and can explain the figure 2000. From this perspective, Mark’s Jesus is portrayed as a powerful warlord and liberator rather than an occupator.
Die Legio X Fretensis und der Besessene von Gerasa 361
2000 invasorischen Aggressoren schließt (44), stellt eine weitere
Parallele zu Mk 5,1-20, insbesondere v. 13, her.
Angesichts der letzten Parallele lässt sich eine von Gerd Theißen
bereits 1974 geäußerte, nicht beweisbare Vermutung aufgreifen (45).
Mit Blick auf den Lebensraum (Gräber) des besessenen Geraseners
mutmaßt Theißen, dass es sich bei den Dämonen um die Totengeister
von Gefallenen handle, die bei Widerstandskämpfen ums Leben
gekommen seien. Er denkt hier wohl an jüdische Widerstandskämpfer.
Sofern die Adressaten des Markusevangeliums Mk 5,1-20 vor dem
eben skizzierten Hintergrund hören und lesen, dann können sie in der
Tat an Gefallene denken: an die heidnischen Besatzer, was im Ãœbrigen
gut zum Milieu der Erzählung passt (46).
Was ist damit im Blick auf das Markusevangelium, vor allem seine
Erstadressaten, gewonnen? Soweit ich sehe, ist durch den Rekurs auf
Jos., Bell. 2,499-506 erstmals die Möglichkeit gegeben, die in Mk 5,13
erwähnte Zahl 2000 konsequent und spannungsfrei in das militärische
Kolorit der Gerasenergeschichte einzuordnen. Die Zahlenangabe fügt
sich dabei nahtlos in das Netz der Anspielungen auf die Legio X ein. Wer
die Gerasenergeschichte im Markusevangelium liest und die Ereignisse
des Jüdischen Krieges vor Augen hat — das Markusevangelium ist “in
’Kriegsnähe’†(47) entstanden, mit einiger Wahrscheinlichkeit nach der
Tempelzerstörung (48), jedenfalls wohl sicher nach den Ereignissen des
Jahres 66 n. Chr. — hat alle Chancen, sie mit den bei Flavius Josephus
berichteten Ereignissen, die bekannt gewesen sein dürften (49), in
(44) Wenngleich nicht nachzuweisen ist, dass es sich hierbei um die Soldaten
der Legio X handelt.
(45) THEISSEN, Wundergeschichten, 252, Anm. 58.
(46) Gerasa ist eine hellenistisch geprägte Stadt der Dekapolis, also
heidnisches Land. Entsprechend können hier auch die für Juden unreinen
Schweine gezüchtet werden. Vgl. dazu nur T. SCHMELLER, “Jesus im Umland
Galiläas. Zu den markinischen Berichten vom Aufenthalt Jesu in den Gebieten
von Tyros, Caesarea Philippi und der Dekapolisâ€, BZ 38 (1994) 45-46, sowie das
Urteil bei E.S. JOHNSON, “Mark 5:1-20: The Other Sideâ€, IBSt 20 (1998) 50-74,
der von einer “typical Roman provincial town†(60) spricht.
(47) THEISSEN, “Evangelienschreibungâ€, 394.
(48) Dazu vgl. jetzt auch E.-M. BECKER, Das Markus-Evangelium im Rahmen
antiker Historiographie (WUNT 194; Tübingen 2006) 77-100, 332.
(49) Immerhin war dies die erste Teilniederlage im Feldzug des syrischen
Legaten Cestius Gallus, der aufs Ganze gesehen alles andere als erfolgreich
verlief. Am Ende des Unternehmens hatten die Römer schwere Verluste zu
beklagen. Cestius verlor daraufhin sein Kommando und wurde von Kaiser Nero
durch den General Vespasian ersetzt.