Georg Hentschel - Christina Nießen, «Der Bruderkrieg zwischen Israel und Benjamin (Ri 20)», Vol. 89 (2008) 17-38
The story about Israel’s war against their brother Benjamin (Judg 20) is told from Israel’s perspective. Benjamin almost does not get a word in edgeways. But the fight against their 'brother' Benjamin is only then successful, when Israel shows
confidence in God by weeping, fasting and making sacrifices. Conspicuous repetitions and syntactical disturbances point to a thorough revision. If one pays attention to the distinction of names — 'sons of Israel' and 'man of Israel' — and to the differences in structure and strategy, dates and times, numbers and theology, then the second account of the last fighting (20,36c-47) turns out to be a part of an independent tradition. A younger narrator added to this old narrative, that the 'sons of Israel' learned to inquire of God after two setbacks, and God helped them to defeat Benjamin, their 'brother'. The contribution of the deuteronomistic and priestly redactions is relatively small.
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Israels†steht im Alten Testament vielfach für das Aufgebot der
kämpfenden Israeliten (51). Die Unterschiede in der Bezeichnung —
“Söhne Israels†(larçy ynb) und “Mann Israels†(larçy çya) — sowie in
der Taktik werfen die Frage auf, ob wir es hier nicht mit zwei
unterschiedlichen Erzählvarianten zu tun haben. So könnten sich auch
manche Bewegungen erklären lassen, von denen vor und während der
ersten Kämpfe gesprochen wird. Bevor die Benjaminiter eine
Auslieferung an die “Söhne Israels†abgelehnt haben (20,13d),
versammeln sich bereits “alle Männer Israels†bei der Stadt (20,11).
Dieser Aufmarsch kommt — verglichen mit dem unmittelbaren
Kontext — zu früh (52). Nachdem die “Söhne Israels†ihr Lager
gegenüber Gibea aufgeschlagen haben (20,19), stellt sich auch der
“Mann Israels†in Schlachtordnung vor Gibea auf (20,20). Warum wird
zweimal dasselbe mit anderen Worten gesagt? Wenig später
verwundert, dass sich der “Mann Israels†erneut zum Kampf gruppiert
hat (20,22), während die “Söhne Israels†noch hinaufziehen, um Jhwh
zu befragen, ob sie überhaupt zum Kampf gegen ihren Bruder antreten
sollen (20,23). Die früher beliebte Umstellung der Verse (53)
berücksichtigt nicht die verschiedenen Bezeichnungen der Israeliten.
Mit den Beobachtungen zu Ort und Bewegung lassen sich auch die
Zeitangaben in Beziehung setzen. Die “Söhne Israels†kämpfen an drei
aufeinander folgenden Tagen mit den Benjaminitern (vgl. 20,19.24.30)
und erleiden vor ihrem Sieg zwei Niederlagen. Wie können die
Benjaminiter nach ersten Erfolgen am dritten Tag dann sagen: “Sicher
wird Israel vor uns völlig geschlagen wie beim ersten Mal.†(20,32b
und 39d) Müssten sie nicht sagen: “wie beim ersten und zweiten Mal?â€
Gab es zwei oder drei Kämpfe zwischen Israel und Benjamin? Die
Antwort hängt davon ab, ob man die Verse von den “Söhnen Israelsâ€
oder jene vom “Mann Israels†in den Blick nimmt. Denn nach der
ersten Niederlage (vgl. 20,20) stellt sich der “Mann Israels†zwar
wieder an derselben Stelle wie beim ersten Mal auf (20,22), aber von
einem wirklichen Kampf des “Mannes Israels†ist noch nicht die Rede.
Der Kampf am zweiten Tag wird allein von den “Söhnen Israelsâ€
(51) Vgl. Jos 9,6-7; 10,24; Ri 7,23; 8,22; 9,55; 21,1; 1 Sam 13,6; 14,24;
17,2.25; 2 Sam 15,13; 16,15; 19,42.43.442; 23,9; 1 Chr 10,1.7. Es können auch
“alle Israeliten†(larçy çya lk) gemeint sein (Dtn 27,14; 29,9; Ri 7,8; 1 Sam 14,22;
17,19; 2 Sam 16,18; 17,14.24; 19,42; 20,2; 1 Kön 8,2; 1 Chr 10,7; 2 Chr 5,3), in
einigen Fällen sogar Individuen (Num 25,82.14; Ri 7,14; 2 Sam 19,23; vgl. 1 Chr
16,3).
(52) Vgl. BECKER, Richterzeit, 272, und bereits BURNEY, Judges, 448.
(53) So BURNEY, Judges, 448.