Beat Weber, «Psalm 78 als 'Mitte' des Psalters? — ein Versuch», Vol. 88 (2007) 305-325
The 'center' of the Psalter has not been given much attention up to now. This essay first examines the literary concept of 'center'. On the basis of thematic-theological considerations the focus then falls on Ps 78, the second longest Psalm.
Key considerations are: the move from (individual) hlpt to (collective) hlht; Torah-wisdom; didactic history reflection climaxing with David; interface of mosaic and davidic figures and topics; double connection back to Torah and Nebiim, cf. programmatically Psalm 1. This evidence suggest that Ps 78 has been envisaged by the final redactors as the 'center' of the book (intention) and can be recognized as such as the Psalter is read repeatedly or even memorised (reception).
Psalm 78 als “Mitte†des Psalters? — ein Versuch 321
4. Ps 78 und die Gestalten Mose und David im Psalterhorizont
Dass David als geschichtliche Grösse wie prototypische Figur eine
prägende Gestalt des Psalmenbuchs darstellt, ist offensichtlich (37).
Dieser Befund basiert weniger auf den nicht allzu zahlreichen Belegen
in den Psalmen selber (38), als auf den metatextlichen Präskripten, die
dreiundsiebzig Psalmen David (und teilweise biographischen Situa-
tionen) zuweisen. Sie leiten an, die derart überschriebenen Psalmen als
mit ihm verbunden zu verstehen. David-Zuweisungen in den
Präskripten prägen namentlich die Psalterbücher I und II (vgl. auch das
Postskript Ps 72,20). In den Psalterbüchern IV und V (39) nimmt die
Zahl der David-Psalmen ab und das David-Bild verändert sich. Ist
David in den Teilbüchern I und II geschichtlich verankert und mit
seinem Königtum verbunden, so tritt beides in den nachexilisch
geprägten Psalterbüchern in den Hintergrund und neue, zunehmend
eschatologische Momente verbinden sich mit David.
Neben David interessiert in unserem Zusammenhang eine zweite
grosse Gestalt Israels: Mose. Seine Rolle im Psalter reicht nicht an
diejenige Davids heran, darf aber in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt
werden. Ein Blick auf die Verteilung der Belege im Psalter (40) zeigt
gegenüber David eine gegenläufige Tendenz: Mose ist in den beiden
ersten Psalterbüchern nicht bzw. nur hintergründig (wie im
eröffnenden Ps 1) präsent. Im Psalterbuch IV spielt er dagegen eine
bedeutende Rolle. Diese zeigt sich im mosaischen Rahmen (Ps
90[–92] / Ps 105–106). Nach dem Exil und dem Untergang des
davidischen Königshauses (vgl. Ps 89) vollzieht sich in Buch IV eine
Rückbesinnung auf das bereits von Mose besungene (vgl. Ex 15,18)
immerwährende Königtum JHWHs und auf mosaische Funktionen
und Traditionen. Mose erscheint am Buchbeginn als Fürbitter Israels
(Ps 90), ebenso — zusammen mit Aaron (und Samuel) — am Ende der
JHWH-König-Psalmen (vgl. Ps 99,6). Ihm hat Gott geantwortet, seine
Gebote anvertraut und sich als gnädig und barmherzig offenbart (Ps
(37) Vgl. dazu ausführlich M. KLEER, »Der liebliche Sänger der Psalmen
Israels«. Untersuchungen zu David als Dichter und Beter der Psalmen (BBB 108;
Bodenheim 1996).
(38) Die Belege im Einzelnen: Ps 18,51 (= 2. Sam 22,51); 78,70;
89,4.21.36.50; 122,5; 132,10.11; 144,10 (vgl. Ps 18,51).
(39) Im Teilbuch III erscheint “David†im Textbereich in den Ps 78 (V. 70)
und Ps 89 (VV. 4.21.36.50) sowie in der Ãœberschrift von Ps 86.
(40) Im Präskript von Ps 90 (V. 1), in Psalmen selbst: Ps 77,21; 99,6; 103,7;
105,26; 106,16.23.32.