Hanna Stettler, «Die Bedeutung der Täuferanfrage in Matthäus 11,2-6 par Lk 7,18-23 für die Christologie», Vol. 89 (2008) 173-200
Jesus’ messianic self-understanding has been put into question from Bultmann’s day to the present. If he did not think of himself as the Messiah, we would be left with the riddle of a Jesus who never actually said who he claimed to be. However,
Jesus’ reply to the inquiry of John the Baptist in Mt 11,2-6 par is an important clue to his own understanding of his mission. A careful reconsideration of the criteria
for authenticity leads to the conclusion that Jesus claimed to be not simply a prophet announcing the kingdom, but the Messiah who healed and brought good news to the poor, thus doing what in the OT God had promised to do at the end of
time. 4Q521 confirms that ancient Judaism expected this kind of miracle to occur at the time of the Messiah.
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Zeit] die Krankheiten beseitigen. Jüdische Texte, nach denen der
Messias heilen wird, gibt es nicht. Von endzeitlichen Propheten wird
erwartet, dass sie Wunder aus der Zeit des Exodus wiederholen
werden, aber keine Heilungen†(81).
Dieser Einwand ist in seiner absoluten Form nicht haltbar: Der
davidische Messias wird nämlich schon im Alten Testament selbst mit
Heilung assoziiert, und zwar in Ez 34,23. Dort kündigt Gott an: “Ich
werde einen Hirten über sie einsetzen, der sie weiden soll, nämlich
meinen Knecht Davidâ€. Im Kontext ist dieser Hirte der Antitypus zu
den treulosen Hirten Israels, von denen es in Ez 34,4 heißt: “Die
Schwachen habt ihr nicht gestärkt, das Kranke nicht geheilt ... und das
Verlorene nicht gesuchtâ€. Der Text impliziert, dass der davidische
Hirte im Unterschied zu jenen treulosen Hirten die kranken (Schafe)
heilen wird (82).
Dass Jesus sich als Hirte Israels sah, steht angesichts der
mehrfachen Bezeugung in unterschiedlichen Traditionsschichten,
nämlich in Lk 15,3-8 und an mehreren Stellen bei Mt (83), außer
Zweifel (84).
Da, wie wir bereits festgestellt haben, der Messias allgemein als
Repräsentant von Gottes Herrschaft gilt, sind auch bei Ezechiel Gott
und Messias in ihrem Hirtenamt nicht wirklich zu unterscheiden.
Nachdem Gott versprochen hat, “selbst seine Schafe suchen und sich
selber um sie kümmern†zu wollen (v. 11), folgt in v. 23 die Verheißung
(81) LUZ, Matthäus, II, 169 unter Hinweis auf Jos Bell 2,259-262; 7,438-440;
Ant 20,97-99. Vgl. auch KVALBEIN, “Wunder der Endzeitâ€, 122. Kvalbein geht
noch weiter und behauptet, “dass es überhaupt keine klaren Belege für
Heilungswunder an einzelnen Israeliten in der Heilszeit gibt. Die Texte, die
generell von ‘Wunder’ in der Heilszeit sprechen (wie Jes 29,18f.; 35,5f.; 42,7;
59,7), lassen sich durchgehend vom Kontext her besser als bildliche Ausdrücke
für die Restitution des Volkes in seiner Ganzheit verstehen†(a.a.O. 122). Bei den
Bezeichnungen als “Armeâ€, “Blinde†etc. geht es nach Kvalbein “um geprägte,
poetische Wendungen für das erniedrigte und unverständige Volk als Empfänger
der Heilstaten Gottes†(a.a.O. 118). Nach J. Zimmermann, beziehen sich die 4
Ausdrücke “aus der Sprache der späten Psalmenfrömmigkeit†in Z. 5-6 “auf
dieselbe Personengruppe unter verschiedenen Aspektenâ€, doch gilt dies nicht für
Z. 12 (Messianische Texte 354-355).
(82) Vgl. zum Hirtenamt Davids 2 Sam 5,2 par 1 Chr 11,2, zu dem des Messias
Mi 5,3; Ez 34,23; 37,24; PsSal 17,40; CD 13,9f; 4Q504, 2,IV,6-7.
(83) Vgl. Mt 15,24, einen Vers, dem die Authentizität kaum abgesprochen
werden kann, sowie Mt 2,6; 9,36 und 10,6.
(84) Zu vergleichen ist ferner Joh 10,11.14, doch ist dieser Beleg möglicher
Weise von den genannten synoptischen Texten abhängig.