Boris A. Paschke, «Die damnatio und consecratio der zwei Zeugen (Offb 11)», Vol. 89 (2008) 555-575
With regard to the prophecy of the death, desecration, resurrection, and ascension of the two witnesses (Rev 11,7-13) most exegetes reckon with a Jewish background. However, the Jewish parallels they refer to stem from different works, contexts, and epochs. Some exegetes also consider the passion,
resurrection, and ascension of Jesus the background of Rev 11,7-13. However, the itinerary of Jesus (as presented in the New Testament) significantly differs from the events described in Rev 11,7-13. The present article suggests the Roman damnatio and consecratio as an alternative (or at least complementary) historical background for Rev 11,7-13. In contrast to both the Jewish and Christian traditions/sources, this background is both encompassing and
coherent. Thus, the Roman damnatio and consecratio should be taken into account as an exegetical framework for Rev 11,7-13.
562 Boris A. Paschke
Dem Prätor Marcus Scribonius Libo wurde unter Kaiser Tiberius (14-
37 n. Chr.) der Majestätsprozess gemacht, vor dessen Ende er sich 16
n. Chr. das Leben nahm. Die anschließende damnatio memoriae
beschreibt Tacitus mit folgenden Worten: “Sein Vermögen wurde
unter die Ankläger verteilt und die Prätur außer der Reihe denen
verliehen, die dem Senatorenstand angehörten. Dann beantragte Cotta
Messalinus, das Bild Libos solle bei Leichenbegängnissen seiner
Nachkommen, nicht mitgeführt werden, Cn. Lentulus, kein Scribonier
solle mehr den Beinamen Drusus annehmen dürfen. Tage für
Dankfeste wurden auf Antrag des Pomponius Flaccus festgesetzt;
Geschenke [dona] dem Iuppiter, dem Mars, der Concordia darzu-
bringen und den Tag der Iden des September, an dem sich Libo das
Leben genommen hatte, zum Festtag [dies festus] zu erklären,
beantragten L. Plancus, Gallus Asinius, Papius Mutlus und L.
Apronius“ (Tac. Ann. 2.32.1-2) (38).
Zur damnatio memoriae des 31 n. Chr. unter Tiberius
hingerichteten Gardepräfekten Seianus (39) schreibt Cassius Dio:
“Daraufhin wurde er [Seianus] hingerichtet, die Leiche aber die
Treppe [tw'n ajnabasmw'n(40)] heruntergeworfen, wo sie der Pöbel drei
ganze Tage [trisi;n o{lai" hJmevrai" (41)] schändete, und schließlich im
Flusse versenkt“ (Cass. Dio 58.11.5) (42). Etwas weiter unten heißt es
dann: “Außerdem sollte unter Leitung aller Behörden und Priester …
ein Fest abgehalten und der Todestag des Seianus alljährlich durch
Pferderennen und Tierhetzen … gefeiert werden†(Cass. Dio
58.12.5)(43).
Ähnliche Parallelen finden sich im suetonischen Bericht über die
damnatio memoriae des ermordeten (vgl. Suet. Cal. 58)
Gaius/Caligula (37-41 n. Chr.). So informiert Sueton seine Leser
über das Ausbleiben einer ordnungsgemäßen Bestattung des
(38) P. Cornelius Tacitus, Annalen. Lateinisch und deutsch (Sammlung
Tusculum; München – Zürich 1982) 142-143.
(39) Vgl. VITTINGHOFF, Staatsfeind, 47 Anm. 214.
(40) Vgl. K. ZIEGLER, “Gemoniae scalae†(PRE 13; Stuttgart 1910) 1115:
“Gemoniae scalae …, gewöhnlich nur Gemoniae … heißt die Treppe, auf
welche die hingerichteten Verbrecher von den Henkern an einem Haken
geschleift, dort eine Zeit lang liegen gelassen und der öffentlichen
Beschimpfung preisgegeben … und endlich von da abermals am Haken in den
Tiber geschleift wurden … Cass. Dio …, der … stets nur, ohne Nennung des
Namens G. von den ajnabasmoiv sprichtâ€.
(41) Vgl. die Zeitspanne hJmevra" trei'" kai; h{misou in Offb 11,9; Näheres
dazu unten in Anm. 57.
(42) Altgriechisch: Dio’s Roman History, Bd. 7, 216; deutsch: CASSIUS DIO,
Römische Geschichte, Bd. 4, 352.
(43) Cassius Dio, Römische Geschichte, IV, 353-354.