Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
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10,38; Mk 13,9; Lk 21,12). Es wird damit so zum Ausdruck gebracht,
dass man im Anschluss an Jesus, der das Paradox vollständig lebte, aus
dem angestrengten Bemühen um die yuchv heraus- und in die Ruhe
hinein findet.
VII. Nachhall in den Paulinen
Seit geraumer Zeit ist wieder im Gespräch, dass die Paulinen, als
die frühesten christlichen Dokumente, auch in der Frage nach dem
historischen Jesus und den sich an ihn anschließenden Traditions-
prozessen Berücksichtigung finden sollten (85). Nun findet sich das
Paradoxon zwar weder als direktes Zitat noch in Form einer
augenfälligen Verarbeitung von dessen semantischem Cluster (86). Das
kann allerdings nicht allzu sehr verwundern, z.B. sofern Paulus das
Lexem yuchv nur zögerlich gebraucht (87). Jedenfalls hat Rebell bereits
Stellen benannt, welche dem Gedanken unseres Paradoxons deutlich
entsprechen. So weist er auf das im Philipperhymnus im Blick auf
Christus ausgesagte Verlieren und Gewinnen sowie auf die vorab in
Phil 2,5 vollzogene Übertragung des Jesus-Weges auf die Gläubigen
hin. Überdies weist Rebell auf Röm 6,8 (“Sind wir mit Christus
gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.â€) und
insbesondere auf 2 Kor 5,15 (“Und er [Christus] ist darum für alle
gestorben, damit, die da leben, nicht sich selbst leben, sondern dem,
der für sie gestorben und auferstanden ist.â€) hin (88).
Meines Erachtens lässt sich hier auch Gal 2,19-20 nennen (89). V. 20
hebt mit den Worten an: zw' de; oujkevti ejgwv, zh/' de; ejn ejmoi; Cristov". Schon
allein der erste Satzteil (“Ich lebe, doch nicht mehr ichâ€) ist eine
(85) Vgl. M. THOMPSON, Clothed with Christ. The Example and Teaching of
Jesus in Romans 12.1-15.13 (JSNTSS 59; Sheffield 1991); D. WENHAM, Paul.
Follower of Jesus or Founder of Christianity (Grand Rapids, MI 1995); DERS.,
Paul and Jesus. The True Story (Grand Rapids, MI u.a. 2002); T.D. STILL (Hrsg.),
Jesus and Paul reconnected. Fresh Pathways into an Old Debate (Grand Rapids,
MI u.a. 2007); D.H. AKENSON, Saint Saul. A Skeleton to the Historical Jesus
(Oxford 2000).
(86) THOMPSON, Clothed with Christ, hat zur Methodik eine Unterscheidung
zwischen quotation, allusion und reminiscence vorgeschlagen.
(87) In den unbestrittenen Paulinen 11 Mal; in der späteren Briefliteratur des
NT doppelt so oft.
(88) REBELL, “Sein Leben verlierenâ€, 215.
(89) Zur Bedeutung dieser Verse im Ganzen des Briefes vgl. M. BACHMANN,
Sünder oder Übertreter. Studien zur Argumentation in Gal 2,15ff. (WUNT 59;
Tübingen 1992) 62,88,115-122.