Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
Zum Paradox vom “Verlieren†und “Finden†des Lebens 347
VI. e{neken ejmou'
Bislang wurde mit einer Rekonstruktion des Paradoxons
argumentiert, bei welcher das regelmäßig bezeugte e{neken ejmou' in Satz
(2) keine Berücksichtigung fand. Die Annahme einer sekundären
Hinzufügung dieser Wendung wurde bei der Besprechung des
“Heilandsrufs†schon einmal berührt. Während viel dafür spricht, dass
die “Präzisierung†e{neken ejmou' nicht zum ursprünglichen Wortlaut
gehört, dürfte das aber nichts daran ändern, dass sie einer inneren
Logik folgt. Jesus ist es, der dieses Wort ausspricht sowie in Wort und
Tat veranschaulicht (81), und zahlreiche Formulierungen Jesu drängen
auf eine solche Präzisierung des Paradoxons hin:
Der bereits angesprochene “Heilandsruf†hebt mit den
emphatischen Worten “Kommt her zu mir†an, und er markiert mit
“nehmt auf euch mein Joch†eine Zäsur im Leben der Adressaten.
Zugleich stellt er dafür — entsprechend Satz (2b) — einen Gewinn in
Aussicht: Ruhe für die yuchv. Auch die markanten, antithetischen
Formulierungen “Ich aber sage euch ...†(82) formulieren einen scharfen
Schnitt, der bisher Vertrautes zurücklässt und Neues etabliert, was
wiederum den Hörern zum Besten dienen soll. Nicht weniger markant
sind die jesuanischen Wendungen “Wahrlich ich sage euch ...†(83).
Nachdrücklich drängt Jesus mit ihnen Gewohntes zurück, um für
Neues Platz zu schaffen. Diese und viele weitere Indizien weisen
darauf hin, dass schon zu Jesu Lebzeiten Worte gesprochen und Fakten
geschaffen wurden, die eine Einfügung des e{neken ejmou' unmittelbar
nahe legten und hervorriefen.
So ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass sich die Präzisierung
e{neken ejmou' in Satz (2) als adäquate Ergänzung geradezu aufdrängte.
Gleichwohl fällt auf, dass sich diese Formulierung allein in drei
synoptischen Kontexten findet: Zunächst in unserem Paradoxon, dann
im Gespräch über den Lohn der Nachfolge, im Ausblick auf Drangsale
am Ende der Seligpreisungen (Mt 5,11; Lk 6,22 variiert (84): e{neka tou'
uiou' tou' ajnqrwvpou) und schließlich im Hinweis auf Verfolgungen (Mt
J
(81) Vgl. dazu nur NOLLAND, Luke 9:21-18:34, 478: “It may or may not have
been part of the original, but it is at least an accurate gloss.â€
(82) Allein bei Matthäus: Mt 5,22.28.32.39.44; 8,11; 12,6.36; 19,9.
(83) Allein bei Matthäus: Mt 5,18; 6,2.5.16; 8,10; 10,15.23.42; 11,11; 13,17;
16,28; 17,20; 18,3.13.18.19; 19,23.28; 21,21.31; 23,36; 24,2.34.37; 25,12.40.45;
26,13.21.
(84) Lk variiert das e{neken ejmou' in zwei von drei Fällen: e{neken th'" basileiva"
tou' qeou' in Lk 18,29 und e{neken tou' ojnovmatov" mou in Lk 21,12.