Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
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Ein Blick auf den so genannten “Heilandsruf†(Mt 11,28-30)
verstärkt diese Spur. Er wird zwar vorwiegend in seiner weisheitlichen
Prägung besprochen (44), und darum meist skeptisch beurteilt bzw.
später eingeordnet. Doch insofern Jesus durchaus weisheitliche
Momente in seiner Verkündigung aufgenommen hat, ist auch mit der
Möglichkeit zu rechnen, dass er diese Worte “vorgeprägt†hat (45).
Dafür spricht auch, dass sich nach Theissen die kontrafaktische
Beanspruchung auch der Weisheit durch die Jesusbewegung “aus dem
Zentrum, aus der Verkündigung der Königsherrschaft Gottesâ€
ergibt(46). Jedenfalls weist der Heilandsruf offensichtliche semantische
und thematische Berührungen mit dem Paradoxon auf. Zunächst ist
wieder einem eher passiven Verständnis zu wehren, diesmal
hinsichtlich der “Mühseligenâ€. “Kopiavw heißt ‘sich (in körperlicher
oder geistiger Arbeit) mühen’†(47); darauf weisen auch die Imperative
dieser Verse hin (deu'te [V. 28], a[rate und mavqete [V. 29]). Worum sich
die kopiw'nte" mühen und was sie zu “finden†hoffen, ergibt sich aus
dem, was ihnen hier zugesagt wird: “erquickt†werden (ajnapauvw
[V.28a]) und “Ruhe für die Seele†(ajnavpausi" tai'" yucai'" uJmw'n [V.
29b]) (48). Impliziert ist dabei: Das Erstrebte für die yuchv ist anderswo
nicht zu finden, und das bisher getragene Joch — dem das hier
angesprochene “sanfte Joch†(V. 30) gegenübersteht — lässt das für die
Seele Erhoffte trotz allen Mühens nicht erreichen. Der Mensch verliert
darum gerade, was er erstrebt. Satz (1) des Paradoxons bildet hier
fraglos eine Parallele, und Satz (2) findet eine Entsprechung im
Abwenden vom Bisherigen sowie der Aufnahme des “sanften Jochesâ€
Christi seitens derer, denen Ruhe für die yuchv in Aussicht gestellt
wird. Das erinnert an das e{neken ejmou' des Paradaxons (49), was später
noch zu bedenken sein wird.
(44) Vgl. nur LUZ, Mt 8-17, 199-200, 216-222; G. THEISSEN, “Jesusbewegung
als charismatische Wertrevolutionâ€, NTS 35 (1989) 343-360, 353-355.
(45) Vgl. dazu RIESNER, Jesus als Lehrer, 339-343. Auch in feministischen
Sophia-Studien wird diese Möglichkeit notiert, etwa bei E. SCHÜSSLER-FIORENZA,
In Memory of Her (New York 1983) 134.
(46) THEISSEN, “Jesusbewegungâ€, 355.
(47) LUZ, Mt 8-17, 219.
(48) Eine sozialgeschichtliche Bestimmung der kopiw'nte" versucht G.
THEISSEN, “Wer sind die Mühseligen und Beladenen in Mt 11,28-30? Befreiungs-
theologische Motive im Heilandsruf Jesuâ€, Dem Tod nicht glauben. Sozial-
geschichte der Bibel (F.S. L. SCHOTTROFF) (Hrsg. F. CRÜSEMANN u.a.) (Gütersloh
2004) 49-66.
(49) Zu beachten ist die vorausgehende theologische Grundlegung in Mt
11,25-27.