Gudrun Holtz, «Zur christologischen Relevanz des Furchtmotivs im Lukasevangelium», Vol. 90 (2009) 484-505
The theme of fear is to be found in the gospel of Luke not only in connection with the central revelations of glory — in the account of the birth and transfiguration as well as in the chapter on the resurrection — but also in several miracle stories. In the light of Luke 9,43 Jesus’ mighty deeds, which give rise to fear in those present, appear as the visible aspect of his heavenly glory. This understanding of revelation echoes the revelation theology of the Book of Exodus which interprets the signs and wonders which Israel experiences in the context of the departure from Egypt as the soteriological aspect of God’s glory revealed on Sinai. Jesus as the Holy One of God, who, like the God of Exodus, arouses revelation fear, is to be understood against this background.
502 Gudrun Holtz
Schlüsselstelle hierfür ist die Geschichte von der Rettung am
Schilfmeer Ex 14.15, wo sich am Ãœbergang der beiden Kapitel die
nächste Parallele zu dem bei Lk identifizierten Grundmuster findet. In
Ex 14,30-31 fasst der Erzähler das Geschehen der Nacht des
Durchzugs in dem Satz zusammen: “Und der Herr rettete (ejrruvsato)
Israel an jenem Tag aus der Hand der Ägypterâ€. Daran schließt sich die
Schilderung der Reaktion des Volkes an: Es sieht (ei\den) die Ägypter
tot am Ufer des Meeres liegen und erkennt (ei\den) darin die “große
Hand Gottesâ€. Diesem Sehen aber folgen Furcht und Vertrauen: “Das
Volk aber fürchtete den Herrn (ejfobhvqh) und sie vertrauten
(ejpivsteusan) Gott und Mose, seinem Knechtâ€. Furcht meint hier die
“anbetende Ergriffenheit vor mit Macht gepaarter Heiligkeit, die in
Entfernung hältâ€, während sich das Vertrauen auf den “Helfer†richtet,
zu dem es hinzieht (48). In Ex 15 artikulieren sich Furcht und Vertrauen
sodann im Lobpreis des majestätischen Gottes aus dem Munde der
Geretteten (49).
Über diese grundsätzlichen Übereinstimmungen hinaus lassen sich
auch in Einzelaspekten Linien zwischen Ex 14–15 und den erörterten
Texten aus dem Lk-Evgl ziehen. Die Schlussverse von Ex 14 nehmen
auf die Ermutigungsrede Bezug, die Mose angesichts der Angst der
Israeliten vor den heranziehenden Ägyptern gehalten hat. Er sagt: “Seid
guten Mutes (qarsei'te). Haltet stand und seht die Rettung (oJra'te th;n
swthrivan), die (Gott) uns heute (shvmeron) bereiten wird (14,13)â€. Es
ist das Sehen dieser Rettung, das bei den Israeliten Furcht vor Gott
bewirkt, die wiederum in das Gotteslob mündet. Ähnliche Wendungen
finden sich in redaktionellen Formulierungen in den Geschichten von
der Heilung des Gelähmten in Lk 5 und des besessenen Geraseners in
Lk 8 (50), die ihrerseits an die Geburtsgeschichte Jesu mit der
Verkündigung der Geburt des Retters heute anknüpfen. Erkennendes
Sehen der göttlichen Rettungstat, die in Furcht und lobpreisende
Anerkenntnis des Offenbarer-Gottes mündet, gehören so zum
gemeinsamen motivischen Grundbestand von Ex und Lk (51).
(48) JACOB, Das Buch Exodus, 420.
(49) Ähnlich wie in Lk wird dies in Ex 15,1LXX, abweichend vom MT,
terminologisch mit dem Begriff doxavzw zum Ausdruck gebracht: “Singen wollen
wir dem Herrn, denn herrlich soll er verherrlicht werden (ejndovxw" ga;r
dedoxastai)â€. Zu doxavzw im Sinne der lobpreisenden Verherrlichung Gottes bei
v
Lk vgl. 2,20; 5,25-26; 7,16; 13,13; 17,15; 18,43; 23,47.
(50) Vgl. Lk 5,26 und 8,36-37.
(51) Bei Lk spielt das Sehen (oJravw) sowohl im Kontext von Wundern (Lk
5,8.26; 8,34-36; s. ferner 7,22) als auch von Doxa-Offenbarungen (Lk 2,15.17.20;