Wolfgang Schütte, «Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift», Vol. 95 (2014) 198-223
The book of Hosea was composed a short time after the Assyrian conquest of Israel and by a group of Israelites that had fled to Judah. The kernel of the book comes from a series of critical statements about cultic personnel and Israel's society. The book integrated later reflections on national guilt and tried to infuse religious hope to the Israelite refugees in Judah.
03_Schutte_198-223 15/07/14 12:17 Pagina 220
220 WOLFGANG SCHÜTTE
IX. Gottes- und Selbsterkenntnis im Prozess
Die Gotteserkenntnis und menschliche Selbsterkenntnis manife-
stiert sich nach den ältesten Texten der Hoseaschrift in der Pflege
und Bewahrung überkommener sozialer Werte. Gerechtigkeit
(hqdc) und Recht (jpvm) ermöglichen eine Kultur, die von Treue
(dsx) geprägt ist. Ihre inhaltliche Füllung erhielten diese Werte aus
dem Handeln Gottes, das sich den Menschen in der Gotteserkenntnis
(~yhla t[d) erschließt. Daran erinnern die schriftprophetischen
Worte, weil Israel im 8. Jh. v.Chr. nicht nur politisch immer mehr in
die assyrische Interessensphäre rückte, sondern damit auch vor neue
ökonomische Herausforderungen gestellt wurde. Mochte man sich
anfänglich teuer gegen die waffentechnologischen Neuerungen der
assyrischen Armee gerüstet haben, so beschwerten seit dem verlo-
renen syrisch-ephraimitischen Krieg Tribute an Assur die heimische
Ökonomie. Der zugleich aufblühende Fernhandel mit Assur und
Ägypten erforderte Investitionen, die nur wenige Wohlhabende auf-
bringen konnten. Er barg Risiken, die von jenen an die heimischen
Warenproduzenten und Zulieferer weitergereicht wurden 65.
Die Hoseaschrift bringt die ökonomischen Umwälzungen für Is-
rael wie die politischen Brüche zur Sprache, die schließlich große
Teile des Volkes aus seiner Heimat vertrieben. Ihre Texte verhan-
deln diese Themen vor einem spezifischen Adressatenkreis. Er-
kennbar sprechen sie Menschen an, die beruflich im Dienst des
JHWH-Kultes stehen 66. So werden in Hos 4,4 – 10,15 die Fragen
der Zeit fokussiert auf die rechte Praktizierung der Religion im Got-
tesdienst und in der täglichen Lebensführung. In ihrem Kern mar-
BiKi 49 (1994) 93-103, “läßt sich im 7. Jh. in Juda auch ein massiver Anstieg
der Produktion von sog. Pfeilerfigurinen feststellen, Darstellungen einer
brüstestützenden, mit einem Rock bekleideten Göttin” (101).
65
Zum Zusammenspiel der durch Assyrien hervorgerufenen ökonomi-
schen Belastungen für Israel und dem wirtschaftlichen Gewinn einer kleinen,
reichen Oberschicht zum Nachteil der Kleinbauern s.a. HONG, Metaphor, 121.
66
Für israelitische Leviten als Adressaten und Tradenten im judäischen
Kontext sprechen hos. Aussagen über männliche und weibliche Kultbediens-
tete, eigene Städte und Soldaten, vgl. SCHÜTTE, Gerechtigkeit, 163-175, 190.
Israelitische Leviten in Juda vermutet B. WEBER, “Der Asaph-Psalter – eine
Skizze”, Prophetie und Psalmen. Festschrift für K. Seybold (eds. B. HUWYLER
– H.-P. MATHYS – B. WEBER) (AOAT 280; Münster 2001) 117-141, auch als
Produzenten und Tradenten der Asaphpsalmen um 700 v.Chr.