Klemens Stock, «Die Inspiration der Heiligen Schrift nach dem Johannesevangelium», Vol. 96 (2015) 525-549
Taking as a point of reference the recent document of the Pontifical Biblical Commission, Inspiration and Truth of Sacred Scripture, this article examines how the Gospel of John gives evidence of its inspiration by having its origin from God. Every reference to God is made through the person of Jesus. Therefore, the relationship between Jesus and his disciples is of fundamental importance for understanding the origin of this Gospel. Whereas abstract statements about inspiration can sometimes lead the reader in a false direction, the testimony of the Gospel itself is able to foster a suitable way of reading and approaching the Sacred Scriptures.
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zu Jesus zu führen. Jesus selber lädt sie ein: “Kommt und seht”
(1,39) und “Folge mir” (1,43). Er zeigt eine ungewöhnliche Kenntnis
der Personen (1,42.47-48) und dessen, was in der Zukunft zwischen
ihm und ihnen geschehen wird. Wie Jakob Betel (Gen 28,12) so
werden sie die Person Jesu erfassen als den Ort der Gegenwart Gottes
(1,51; vgl. 2,18-22). Kennzeichnend sind also: die persönliche
Begegnung und Gemeinschaft, dass sie bei ihm sind und er bei ihnen
ist; das Sprechen Jesu aus seinem außergewöhnlichen Wissen heraus;
ihr Erkennen, mit wem sie es in der Person Jesu zu tun haben; ihr
gläubiges Zeugnis für Jesus und ihr Bemühen, andere zu Jesus zu
führen. Hier kann sichtbar werden, wie sie zu dem kommen, was
sie bezeugen und weitergeben: intensive personale Begegnung mit
Jesus; das Wirken der Person Jesu; ihr offenes und verstehendes
Aufnehmen. So werden konkret von ihrer Seite und von der Seite
Jesu her die Grundvollzüge sichtbar, in denen Inspiration geschieht.
Diese Momente finden wir dann auch in 20,30-31: das Handeln
Jesu vor den Augen seiner Jünger wird (schriftlich) bezeugt und
glaubend weitergegeben, um zu Jesus zu führen, zum Glauben an
ihn und zum Leben mit ihm. Die unmittelbare Begegnung mit Jesus
öffnet die Augen und führt zum Glauben an ihn, in dem Gott der
Vater gegenwärtig ist, und zum Zeugnis für ihn. Und das alles geschieht
nicht in individualistischer Isolation, sondern im “Wir”, in der
Gemeinschaft der Jünger und auf die Erweiterung dieser Gemeinschaft
hin durch das Zeugnis und das Gewinnen weiterer Glaubender.
3. Das erste Auftreten Jesu in Galiläa (2,1-11): Offenbarung der
Herrlichkeit und Glauben
Von jetzt ab steht für den Evangelisten das Wirken Jesu, sein
Handeln und Sprechen ganz im Vordergrund. Er berichtet aber auch
die Wirkung dieses Handelns auf die Jünger (2,11.17.22); da nur
sie erwähnt werden, sind sie besonders hervorgehoben. Beim Auftreten
Jesu in Kana in Galiläa heißt es: “Auch Jesus und seine Jünger
waren zur Hochzeit geladen” (2,2). Hier wird von allem Anfang an
sichtbar, wie eng sie zusammengehören, seit ihrer ersten Begegnung
(1,35-51), und wie sie nicht mehr voneinander getrennt werden
können. Nachdem der Evangelist das Geschehen in Kana berichtet
hat (2,1-10), wertet er es und nennt seine fundamentale Bedeutung:
“So tat Jesus den Anfang seiner Zeichen in Kana in Galiläa und
offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn” (2,11).