Armin D. Baum, «Der mündliche Faktor: Teilanalogien zu den Minor Agreements aus der Oral Poetry-Forschung und der experimentellen Gedächtnispsychologie», Vol. 85 (2004) 264-272
The view taken by G.D. Fee and others that oral tradition
played a major role in the development of the minor agreements is supported by
analogies from oral poetry (M. Parry – A.B. Lord) and cognitive psychology (E.
Hunt – T. Love).
Der mündliche Faktor 265
Lukas gegen Markus entstanden sind, stehen mehrere Modelle zur
Diskussion. Setzt man die Markuspriorität voraus, sind es primär die
folgenden. (a) Vor allem seit B.H. Streeter (6) ist mehrfach angenommen
worden, die Minor Agreements seien (teilweise) durch (unabsichtliche)
Textverderbnis bzw. (absichtliche) Textassimilation entstanden (7). (b)
Andere führen die Minor Agreements auf eine literarische Beziehung
zwischen dem ersten und dritten Evangelium zurück, sei es, daß Lukas den
Matthäus benutzte (8), sei es, daß Matthäus von Lukas abhängt (9). (c) Ein
drittes Modell nimmt an, die (meisten) Minor Agreements seien im Zuge der
unabhängigen Redaktion des Markustextes durch Matthäus und Lukas
entstanden (10). (d) In jüngerer Zeit haben sich wieder eine Reihe von
Forschern dafür ausgesprochen, die Minor Agreements auf einen
Deuteromarkus zurückzuführen (11).
(6) The Four Gospels. A Study of Origins (London 1924) 293-331, etwa 306: “a large
number of the Agreements are due ... to later scribesâ€; zur Geschichte dieses
Deutungsansatzes siehe E.W. BURROWS, “The Use of Textual Theories to Explain
Agreements of Matthew and Luke against Markâ€, Studies in New Testament Language and
Text. FS G.D. Kilpatrick (ed. J.K. ELLIOTT) (NTS 44; Leiden 1976) 87-99, und F. WHEELER,
“Textual Criticism and the Synoptic Problem: A Textual Commentary on the Minor
Agreements of Matthew and Luke against Mark†(Ph.D. Dissertation; Baylor University
1985) 54-85.
(7) Neuerdings hat WHEELER, “Textual Criticismâ€, 52 Minor Agreements, die als Folge
von Textverderbnis bzw. Textassimilation erklärt worden sind, mit einem ausführlichen
textkritischen Kommentar versehen (86-305) und die textkritische Erklärung der Minor
Agreements in Frage gestellt (307-311).
(8) So beispielsweise R. MORGENTHALER, Statistische Synopse (Zürich 1971) 301-303,
und ausführlicher V.S. YOON, “Did the Evangelist Luke Use the Canonical Gospel of
Matthew?†(Th.D. Dissertation; Faculty of the Graduate Theological Union, Berkley 1985)
85-126; M.D. GOULDER, Luke: A New Paradigm (JSNTSS 20; Sheffield 1989) und ihm
folgend M. GOODACRE, The Case Against Q. Studies in the Markan Priority and the
Synoptic Problem (Harrisburg 2002) 152-169, der die Lösungsmöglichkeit “shared oral
tradition†nur in einer Fußnote (160 Anm. 29) streift.
(9) So neuerdings wieder M. HENGEL, The Four Gospels and the One Gospel of Jesus
Christ. An Investigation in the Collection and Origin of the Canonical Gospels (London
2000) 173-174, 196.
(10) So J. SCHMID, Matthäus und Lukas. Eine Untersuchung zum Verhältnis ihrer
Evangelien (BibS[F] 23/2-4; Freiburg 1930) 31-167, und gegenwärtig vor allem F.
NEIRYNCK, “The Minor Agreements and the Two-Source Theory†(1991), Minor
Agreements (ed. G. STRECKER) 25-63. VINSON, “Significance of the Minor Agreementsâ€,
hat die Hypothese, Matthäus und Lukas hätten ihre Minor Agreements im Zuge einer
unabhängigen Benutzung ihrer Markusvorlage erzeugt, in Frage gestellt. Sein Hauptargu-
ment ruht auf dem Befund, daß sich ein so hoher Anteil an Minor Agreements wie zwischen
Matthäus und Lukas gegen Markus (durchschnittlich 21,2%) weder in analogen
Experimenten (durchschnittlich 2,1%) erzeugen noch in den parallelen Zitaten der
altkirchlichen Apologeten (durchschnittlich 3,3%) nachweisen läßt. Für eine kritische
Auseinandersetzung mit Vinsons Argumentation siehe T.A. FRIEDRICHS, “The Minor
Agreements of Matthew and Luke against Mark. Critical Observations on R.B. Vinson’s
Statistical Analysisâ€, ETL 65 (1989) 395-408.
(11) So im Anschluß an A. FUCHS, Sprachliche Untersuchungen zu Matthäus und
Lukas. Ein Beitrag zur Quellenkritik (AnBib 49; Rom 1971) 168-170, vor allem CHR.
NIEMAND, Studien zu den Minor Agreements der synoptischen Verklärungsperikopen. Eine
Untersuchung der literarkritischen Relevanz der gemeinsamen Abweichungen des
Matthäus und Lukas von Markus 9,2-10 für die synoptische Frage (EHS 23/352; Frankfurt
1989), J. RAUSCHER, Vom Messiasgeheimnis zur Lehre der Kirche. Die Entwicklung der
sogenannten Parabeltheorie in der synoptischen Tradition (Mk 4,10-12 par Mt 13,10-17
par Lk 8,9-10) (Desselbrunn 1990) und ENNULAT, “Minor Agreementsâ€.