Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels 309
Der vorliegende Beitrag will die Vielschichtigkeit der Rede vom
Zorn Gottes, besonders in der Prophetie und Poesie Israels beleuch-
ten (20). Dabei wird der Blick auf einige altorientalische Vorstellungen
vom Zorn der Gottheit zeigen, wie aktiv sich das biblische Israel an
seiner kulturellen Umwelt beteiligt und wie kreativ es sich mit deren
Einflüssen auseinandergesetzt hat. Als akademische Disziplin hat die
alttestamentliche Wissenschaft m.E. die Aufgabe, diese Assimilatio-
nen, Transpositionen und Transformationen aufzuarbeiten und die so
erschlossenen Ergebnisse in den theologischen Diskurs mitein-
zubringen (21).
II. Der religionsgeschichtliche Kontext der zürnenden Gottheit
Überblickt man die Belege vom Zorn der Götter im altorienta-
lischen Raum (22), die Vergleichspunkte zum Zorn JHWHs im AT
bieten (23), so lassen sich vier Kategorien unterscheiden (24):
1. der die Menschheit zu vernichten suchende Zorn der Gottheit
2. der in die Geschicke der Völker eingreifende Zorn der Gottheit
3. der Tempelstädte samt den Heiligtümern zerstörende Zorn der
Gottheit
4. der den Einzelnen in Todesnot stürzende Zorn der Gottheit.
(20) Die klassischen Belege zu den “dunklen Seiten Gottes†sind nicht
Gegenstand dieser Untersuchung (vgl. Gen 32,23-33; Ex 4,24-26; Ex 12,12; 2
Sam 6,6-9; 2 Sam 24,1); dazu P. VOLZ, Das Dämonische in Jahwe (Tübingen
1924); DIETRICH – LINK, Die dunklen Seiten Gottes; S. KRAHE, Ermordete Kinder
und andere Geschichten von Gottes Unmoral (Würzburg 1999); M. VERVENNE,
“Violent Imagery in the Hebrew Bible: Satanic verses or Anti-metaphors?â€,
Textarbeit. Studien zu Texten und ihrer Rezeption aus dem Alten Testament und
der Umwelt Israels. Festschrift P. Weimar (Hrsg. K. KIESOW – Th. MEURER)
(AOAT 294; Münster 2003) 523-544.
(21) Diese Geschichts- und Kulturbezogenheit steht weder dem geistigen
Schriftverständnis, noch der kanonisch-intertextuellen Auslegung im Wege;
kritischer dagegen L. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, “Einheit statt Eindeutigkeit.
Paradigmenwechsel in der Bibelwissenschaft?â€, HerKorr 57 (2003) 412-417.
(22) Vgl. Kleine Encyclopedie van de Toorn (Hrsg. A. de JONG) (Utrechtse
Theologische Reeks 21; Utrecht 1993).
(23) Der Zorn der Götter untereinander kann hier außer Acht bleiben; die
Mythologie Ugarits betreffend, M.C.A. KORPEL, A Rift in the Clouds. Ugaritic
and Hebrew Descriptions of the Divine (UBL 8; Münster 1990) 172-175; J.C. de
MOOR, “Theodicy in the Texts of Ugaritâ€, Theodicy in the World of the Bible
(Hrsg. A. LAATO – J. C. de MOOR) (Leiden 2003) 108-150.
(24) Anders J. ASSMANN, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in
Altägypten, Israel und Europa (München 2000) 53-54, der zwischen “okka-
sionellemâ€, “geschichtlichem†und “apokalyptischem†Zorn unterscheidet.