Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels 315
In der Babylon-Inschrift des assyrischen Königs Asarhaddon (681-
669 v. Chr.) (42) begründet dieser die furchtbare Zerstörung der Stadt und
die Deportation der Marduk-Statue nach Assur durch seinen Vater
Sanherib (705-681 v. Chr.) im Jahre 689 v. Chr. mit dem Zorn des
babylonischen Hochgottes Marduk (43). Der hatte sich an den sozialen,
politischen und kultischen Missständen in Babylon entzündet: “Da
ergrimmte der Enlil (Herr) der Götter, Marduk; um das Land niederzu-
werfen und seine Bewohnerschaft zu verderben, sann er Böses†(44).
Wichtig ist hierbei, dass das Motiv vom Zorn Marduks von Asarhaddon
als politische Strategie eingesetzt worden ist, um die Zerstörungswut
seines Vaters Sanherib an Babylon zu rechtfertigen (45). Erst nachdem
sich Marduks Zorn gelegt und er selbst die Zeit der Entvölkerung
verkürzt hatte, konnte Babylon wieder erbaut werden: “Obgleich er 70
Jahre als die Frist seiner Entvölkerung (auf die Schicksalstafeln)
geschrieben hatte, hat der barmherzige Marduk, nachdem sein Herz
alsbald zur Ruhe gekommen war, die Ziffern vertauscht und seine
Wiederbebauung im 11. Jahre befohlen†(Version a) (46).
Im gleichen Sinn äußert sich der letzte neubabylonische König
Nabonid (ca. 556-539 v. Chr.) auf der sogenannten Babel-Stele, auf
der er Sanherib in dunkelsten Farben zeichnete:
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Bilderpolemik (OBO 162; Fribourg 1998) 143. Zur Hinwendung des Nackens
und nicht des Gesichtes als Zeichen göttlichen Zornes, vgl. Jer 18,17.
(42) Neue englische Ãœbersetzung von W.W. HALLO, The Context of Scripture
(Hrsg. W.W. HALLO) (Leiden 2000) II, 306.
(43) Vgl. die Marduk-Prophetie aus der Zeit Nebukadnezar I. (1124-1103 v.
Chr.), in der Marduk sich entscheidet, nach Elam ins Exil zu gehen, um
anschließend in seine Thronstadt zurückzukehren; Einleitung und Übersetzung
von K. HECKER, “Die Marduk-Prophetieâ€, TUAT II/1 (Gütersloh 1986) 65-68.
(44) R. BORGER, Die Inschriften Asarhaddons, Königs von Assyrien (AfO.B 9;
Graz 1956) 13; dazu R. ALBERTZ, Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr. (Biblische
Enzyklopädie 7; Stuttgart 2001) 48.
(45) W. MAYER, “Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels 587 v. Chr. im
Kontext der Praxis von Heiligtumszerstörungen im antiken Vorderen Orientâ€,
Zerstörungen des Jerusalemer Tempels. Geschehen – Wahrnehmung –
Bewältigung (Hrsg. J. HAHN) (WUNT 147; Tübingen 2002) 11-12; K.R.
VEENHOF, Geschichte des Alten Orients bis zur Zeit Alexanders des Großen
(ATD Ergänzungsreihe 11; Göttingen 2001) 268-269.
(46) BORGER, Inschriften, 15; dazu M. ALBANI, Der eine Gott und die
himmlischen Heerscharen. Zur Begründung des Monotheismus bei Deuterojesaja
im Horizont der Astralisierung des Gottesverständnisses im Alten Orient
(Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 1; Leipzig 2000) 87, Anm. 341: Zahl
70=vertikaler Keil + Winkelhaken; Zahl 11 = Winkelhaken + vertikaler Keil.