Ulrich Berges, «Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen», Vol. 85 (2004) 305-330
The theme of divine anger is not peripheral to Yhwh’s
revelation of himself but central to it (cf. inter alia Exod 34,6-7).
When the instances of Yhwh’s anger in the OT, particularly in the writing
prophets and the Psalms are compared with instances of the anger of the gods in
the ancient Near East, four categories can be distinguished: a) the anger that
seeks to destroy mankind; b) the anger that intervenes in the destiny of
peoples; c) the anger that destroys temple cities with their sanctuaries; d) the
anger that plunges the individual into danger of death. The OT speaks of Yhwh’s
anger on many different levels, which demands a portrayal that is much more
nuanced than has been the case up to now and represents a continuing challenge,
not least for the reflection of biblical theology.
Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels 311
Nintu, der großen Herrin, Lippen
verhüllen ihre Verängstigung…
Die Göttin sah (es), weint,
sie, die Hebamme der Götter, die weise Mami.
Der Tag soll immer wieder finster werden;
erneut werde er ganz dunkel!
Wie konnte ich in der Versammlung der Götter
mit ihnen den endgültigen Befehl geben! (Taf. III, Kol. III, Z. 28-38)
Als Enlil nach der Flut bemerkt, dass sein Plan zur Vernichtung
der Menschheit fehlgeschlagen ist, reagiert er zuerst sehr erbost, doch
schließlich erteilt er Enki und der Muttergöttin den Auftrag zur
Neuschöpfung von Menschen. Dabei sollten sie zugleich auch die
kindermordende Dämonin Lamaschtum erschaffen und so dafür
sorgen, dass es nicht mehr zu einer solch übermäßigen Vermehrung
der Menschen komme (26). Diese präventive Maßnahme soll von
vornherein einem erneuten Zorn Enlils jegliche Grundlage entziehen.
Im jüngeren Gilgameschepos (12-Tafel-Epos ca. 12. Jhd. v. Chr)
ist in der 11. Tafel das Thema der Sintflut aus dem Atramchasismythos
aufgenommen, aber an einigen Punkten abgeändert. So heißt der
Flutheld nicht mehr Atramchasis, sondern Utnapischtim. Dieser
berichtet als Augenzeuge von der verheerenden Flut, für die keine
Begründung mehr gegeben wird. Der Rettergott ist nicht mehr Enki,
sondern Ea und die Muttergöttin ist nicht Nintu/ Mami, sondern
Ischtar/ Mach. In seiner Monographie zur Komposition der Urge-
schichte stellte N.C. Baumgart heraus, wie sich die drei Verhaltens-
weisen der mesopotamischen Götter im Flutmythos, nämlich a.)
Vernichtung und Zerstörung des Lebens (Enlil), b.) Hilfe und
Errettung aus der Not (Enki/ Ea) und c.) Reue, Mitleiden der
Muttergottheit (Nintu/ Mami bzw. Ischtar/ Mach) in JHWH, dem Gott
Israels, monotheistisch vereinigt wiederfinden (27). So ordnet JHWH
die Vernichtung allen Lebens an (Gen 6,5-7), bewahrt den Fluthelden
Noach in der Katastrophe (Gen 6,8; 7,1-4) und verspricht nach der
Flut, eine solche niemals wieder zu verhängen (Gen 8,21-22). Die
große Verbreitung des Flutmythos von der altbabylonischen bis zur
hellenistischen Zeit macht es wahrscheinlich, dass die Rezipienten der
biblischen Sintfluterzählung um die Vereinigung der unterschiedlichen
(26) VON SODEN, Atramchasis-Mythos, 617.
(27) N.C. BAUMGART, Die Umkehr des Schöpfergottes. Zu Komposition und
religionsgeschichtlichem Hintergrund von Gen 5-9 (HBS 22; Freiburg i.Br. 1999)
490-495; ID., “Die große Flut und die Archeâ€, BiKi 58 (2003) 30-36.