Andreas Scherer, «Vom Sinn prophetischer Gerichtsverkündigung bei Amos und Hosea», Vol. 86 (2005) 1-19
Recently it has been proposed that announcements of judgment,
like the ones to be found in the minor prophets Amos and Hosea, on principle are
to be considered as vaticinia ex eventu. Even the traditions of
salvation, employed to reinforce different kinds of reproach, are held to be the
work of learned redactors. However, these hypotheses are supported neither by
the evidence from the ancient Near East nor by the logic underlying prophetical
proclamations of judgment themselves, for sheer announcements of punishment
could only be meaningless in times of doom as well as during periods of
recovery. Old Testament prophecy of doom is no complete stranger among the
religions of the ancient Near East. It owes its uniqueness not to the kind or
genus, but only to the complexity of its message.
Vom Sinn prophetischer Gerichtsverkündigung 11
Bei Amos begegnet außerdem, eingebettet in die Amazja-Szene
Am 7,10-17, eine Todesvorhersage für Jerobeam II., die in ihrer Unbe-
dingtheit mit Elias Unheilsorakel für Ahasja vergleichbar ist: “Durchs
Schwert wird Jerobeam sterben!â€. Diesen kurzen Satz aus Am 7,11ab
gilt es auch bei extrem minimalistischer Betrachtungsweise als au-
thentischen Kern der Szene festzuhalten. Zwar wird der Abschnitt als
literarische Größe vielfach spät datiert (36), doch weder die Szene als
solche, erst recht nicht das Wort gegen Jerobeam, wirken aus der Per-
spektive der Zeit des Amos anachronistisch. Daß Prophetenworte in
der amtlichen Korrespondenz begegnen, ist inzwischen ja nicht nur
aus den Mari-Briefen, sondern auch aus wenigstens zwei Lachisch-
Ostraka als selbstverständliches Verfahren bekannt (37). Ein Vorgang
wie der in Am 7,10-11 geschilderte entbehrt daher keineswegs jeder
historischen Plausibilität und müßte noch vom größten Skeptiker als
ausgesprochen “gut erfunden†(38) anerkannt werden. Das Wort an Je-
robeam darf einen noch höheren Anspruch auf Authentizität erheben,
denn es kann nur zu Lebzeiten Jerobeams entstanden sein. Bekannt-
lich ist Jerobeam II. selbst eines natürlichen Todes gestorben (39). Erst
sein Sohn Sacharja fiel einer blutigen Verschwörung zum Opfer (40).
Selbst wenn man die Vorstellung als schlüssig akzeptiert, daß sich das
dem Vater prophezeite Unheil auch an dessen Sohn gültig vollziehen
konnte, wäre ein echtes vaticinium ex eventu um der Glaubwürdigkeit
des Propheten willen mit Sicherheit präziser ausgefallen. Es spricht
also alles dafür, daß der historische Amos wenigstens gegen König
Jerobeam in der Tat als Unheilsprophet aufgetreten ist.
Hosea hat die Unheilsdimension, die bei Amos bezogen auf einen in-
dividuellen Monarchen begegnet, auf die gesamte Jehudynastie ausge-
dehnt und zur Kritik am Nordreichkönigtum seiner Zeit ausgebaut. Als
Zeichen dafür, daß JHWH die “Blutschuld Jesreelsâ€, die auf dem Haus
Jehus lastet, ahnden wird, nennt Hosea seinen ersten Sohn “Jesreel†(41).
(36) Vgl. JEREMIAS, Amos, 112.
(37) Vgl. Lachisch-Ostrakon 3, Zeile 20-21; Ostrakon 16, Zeile 5. Texte bei J.
RENZ – W. RÖLLIG, Handbuch der althebräischen Epigraphik (Darmstadt 1995)
I.1, 419, 433; zur Sache vgl. U. RÜTERSWÖRDEN, “Der Prophet in den Lachisch-
Ostrakaâ€, Steine – Bilder – Texte. Historische Evidenz außerbiblischer und bibli-
scher Quellen (Hrsg. C. HARDMEIER) (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 5;
Leipzig 2001) 179-192 (bes. 184-190).
(38) RÜTERSWÖRDEN, Prophet, 188.
(39) Vgl. 2 Kön 14,29.
(40) Vgl. 2 Kön 15,10.
(41) Vgl. Hos 1,4.