Andreas Scherer, «Vom Sinn prophetischer Gerichtsverkündigung bei Amos und Hosea», Vol. 86 (2005) 1-19
Recently it has been proposed that announcements of judgment,
like the ones to be found in the minor prophets Amos and Hosea, on principle are
to be considered as vaticinia ex eventu. Even the traditions of
salvation, employed to reinforce different kinds of reproach, are held to be the
work of learned redactors. However, these hypotheses are supported neither by
the evidence from the ancient Near East nor by the logic underlying prophetical
proclamations of judgment themselves, for sheer announcements of punishment
could only be meaningless in times of doom as well as during periods of
recovery. Old Testament prophecy of doom is no complete stranger among the
religions of the ancient Near East. It owes its uniqueness not to the kind or
genus, but only to the complexity of its message.
Vom Sinn prophetischer Gerichtsverkündigung 7
Sicherheit dtr. sind in 2 Kön 1 lediglich die Verse 1.17abb und 18.
Das entscheidende Wachstum des Textes hat sich aber in vordtr. Zeit
ereignet, als es mit V. 9-16 zu einer legendarischen Erweiterung der
voraufgehenden Erzählung im Stile der Elisaschule kam. Schon die-
sen Vorgang wird man kaum später als ins 8. Jh. datieren. Entspre-
chend älter ist demnach die Erzählung, die sich in V. 2-8.17aa nieder-
geschlagen hat. Sie schildert, wie König Ahasja (20) Männer
aussendet, um ein Genesungsorakel bei Baal-Sebub von Ekron für
sich einzuholen. Die Gesandtschaft begegnet Elia, der im Namen
JHWHs den Tod des Königs ankündigt. Statt des Heilsorakels, das er
bei Baal-Sebub gesucht hat, erhält der König von Elia folgendes Un-
heilsorakel: “Von dem Bett, das du bestiegen hast, wirst du nicht
mehr herunterkommen, sondern gewiß sterben!â€.
Es handelt sich um eine unbedingte Todesvorhersage, die das be-
wirkt, was sie in Aussicht stellt. Damit ist für Israel weit vor dem Un-
tergang des Nordreichs die Vorstellung bezeugt, daß eine propheti-
sche Gestalt einen König mit einer wirksamen Todesdrohung zu
belegen vermag, wobei das Todesgeschick ausdrücklich als Strafe für
religiöse Untreue gegenüber JHWH verstanden ist.
Dafür, daß man schon in relativ früher Zeit nicht nur individuelles
Unglück, sondern auch globale Katastrophen mit göttlichem Zorn in
Verbindung gebracht hat, liefert Israels nächstes Umfeld Indizien. In
diesem Zusammenhang spielt Bileam, der Sohn Beors, eine zentrale
Rolle. Seit dem Fund der sog. ‘Bileaminschrift’ vom Tell Dˇr ‘AllË
beschränkt sich unsere Kenntnis dieser Sehergestalt nicht mehr auf
das Alte Testament. In einem Gebäudekomplex auf dem Tell hat man
zahlreiche Verputzstücke gefunden, die zu 12 fragmentarischen Kom-
binationen zusammengestellt wurden. Nur die erste Kombination
handelt mit Sicherheit von Bileam (21). Auch wenn manches unklar
(20) Historisch ist der Gedanke an Ahasja nicht abwegig. Dennoch besteht die
Möglichkeit, daß der König im Rahmen der Erzählung zunächst anonym war und
erst von den Dtr. Ahasja genannt wurde. Vgl. THIEL, Deuteronomistische Redak-
tionsarbeit, 146 in Auseinandersetzung mit M. NOTH, Ãœberlieferungsgeschichtli-
che Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Te-
stament (Tübingen 31967) 83.
(21) Grundlegende Publikation mit Umschrift und Ãœbersetzung von J. HOF-
TIJZER – G. VAN DER KOOIJ, Aramaic Texts from Deir ‘Alla (Documenta et Monu-
menta Orientis Antiqui 19; Leiden 1976) 173-174, 179-180; vgl. aber auch die
z.T. deutlich abweichenden Rekonstruktionen von M. WEIPPERT, “Der ‘Bileam’-
Text von Tell Dˇr ‘AllË und das Alte Testamentâ€, DERS., Jahwe und die anderen
Götter. Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palä-