Klemens Stock, «Die Inspiration der Heiligen Schrift nach dem Johannesevangelium», Vol. 96 (2015) 525-549
Taking as a point of reference the recent document of the Pontifical Biblical Commission, Inspiration and Truth of Sacred Scripture, this article examines how the Gospel of John gives evidence of its inspiration by having its origin from God. Every reference to God is made through the person of Jesus. Therefore, the relationship between Jesus and his disciples is of fundamental importance for understanding the origin of this Gospel. Whereas abstract statements about inspiration can sometimes lead the reader in a false direction, the testimony of the Gospel itself is able to foster a suitable way of reading and approaching the Sacred Scriptures.
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527 DIE INSPIRATION DER HEILIGEN SCHRIFT 527
1. Der Verfasser im Kreis der Jünger Jesu
Wo der Verfasser des Johannesevangeliums seinem Werk einen
ersten Abschluss gibt (in 21,1-25 wird ein Zusatz angefügt),
schreibt er: “Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht
aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan.
Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der
Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das
Leben habt in seinem Namen” (20,30-31). Als Inhalt seiner Schrift
(“in diesem Buche … aufgeschrieben”) bezeichnet der Verfasser
einen Teil der “Zeichen”, die “Jesus vor den Augen seiner Jünger
getan hat”. Alles, was er berichtet, geht also auf die Jünger als die
Augenzeugen des Wirkens Jesu zurück. Als Zweck seiner Schrift
(“aufgeschrieben, damit”) nennt er für seine Adressaten, die er direkt
anspricht (“ihr”), den Glauben an Jesus den Christus und Sohn
Gottes und das Leben in seinem Namen. Indem er seine Adressaten
anspricht und Inhalt und Zweck seines Werkes nennt, weicht er von
seinem gewöhnlichen Verhalten ab, einfach das mitzuteilen, was
geschehen ist.
Etwas Ähnliches geschieht, wo er von sich selber spricht. Nachdem
er im Prolog mitgeteilt hat: “Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt”, fährt er fort: “und wir haben seine
Herrlichkeit gesehen” (1,14 vgl. 1 Joh 1,1-4). Er spricht auf einmal
von einer Gruppe (“wir”), zu der er sich selber zählt, und von ihrem
Sehen der Herrlichkeit des fleischgewordenen Wortes Gottes. Vom
Sehen spricht er auch, nachdem er das Geschehen mit dem toten
Jesus berichtet hat: “Und der, der es gesehen hat, hat es bezeugt,
und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet,
damit auch ihr glaubt” (19,35). Auch hier ist Ziel und Zweck des
Berichtens (Schreibens), dass die Adressaten seinen Glauben teilen
(vgl. 20,31). Wie er (glaubend) die Herrlichkeit des fleischgewordenen
Wortes Gottes gesehen hat (1,14), so sieht er beim toten Gekreuzigten
nicht nur das Tun der Soldaten, sondern glaubt an die Erfüllung der
Schrift (19,36-37) und will seine Adressaten zu diesem Glauben führen.
Wo er von sich selber, seinem Sehen und seinem Glauben,
spricht, lässt er uns wissen, dass er zu einer Gruppe (“wir”) gehört,
die das Wirken Jesu erlebt hat und zum Glauben an ihn gekommen
ist. In seiner Schrift findet sich nur eine einzige Gruppe, von der
das gilt, nämlich die Gruppe der Jünger Jesu, also der Kreis derer,
vor deren Augen Jesus seine Zeichen getan hat (20,30). Wenn wir