Joachim Becker, «Zur Deutung von Jes 45,11b», Vol. 88 (2007) 100-109
In Isa 45,11b no conjecture may be prefered to masoretic s]e)a4lu=n|= and ha4)otiyyo]t, and the masoretic division of the sentence should be maintained. Special attention is payed to a comparison of Isa 45,9-13 with 41,21-29 and to the meaning of s[iwwa] (al and po(al ya4day. The sentence may be translated as follows: “For the future things ask me, the leading of my sons, which are the work of my hands, commit to me”. The sentence seems to be adressed to the people of Israel.
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Die Masoreten dürften jedoch im Recht sein. Sie hatten ein Gespür dafür,
daß die Vorhersage, zu der allein der Gott Israels fähig ist, in Jes 40–48 etwas
derart Grundsätzliches ist, daß es nicht durch “bezüglich meiner Söhneâ€
eingeengt werden darf. Das bestätigen die beiden anderen ÷otiyyôt–Stellen
41,23 und 44,7. Stilistisch liegt der Nachdruck auf den beiden Verbalformen
Ï€e÷Ëlûnî und tes≥awwunî, die jeweils die beiden Satzhälften wuchtig
abschließen. Der ungleiche Umfang der Satzhälften ist mit dadurch bedingt,
daß po¿al yËday sich explikativ an bËnay anschließt.
Bei der Beurteilung der Satzeinteilung hat die Bedeutung von tes≥awwunî
ein Wort mitzureden. Bedeutet s≥iwwâ pelonî ¿al in Jes 45,11b “jemand einen
Befehl erteilen bezüglich†oder “jemand (als Gebieter) einsetzen über� Die
erstgenannte Bedeutung steht lexikalisch außer Frage (9). Aber auch die
Bedeutung “jemand einsetzen überâ€, die wir in 45,11b für zutreffend halten,
läßt sich gut belegen. Nicht wenige Autoren haben sich in 45,11b für sie
entschieden (10). Es handelt sich um eine gefestigte semantische
Ausprägung (11). Für die semantische Eigenständigkeit sprechen unter
anderem verschiedene Varianten, die zum Teil durch Ellipsen zustande
gekommen sind. Ellipsen sind geradezu ein Indiz für semantische
Eigenständigkeit. Man beachte, daß die Bedeutung der Präposition ¿al in der
semantischen Ausprägung “jemand einsetzen über (¿al)†nicht etwa herkommt
von der Bedeutung, die ¿al in der Wendung “jemand einen Befehl erteilen
bezüglich (¿al)†eigen ist. Die semantische Herkunft ist vielmehr zu suchen in
Wendungen wie nagîd ¿al “Herrscher überâ€.
Die Belege für “jemand einsetzen über†weisen folgende Varianten auf:
s≥iwwâ pelônî lenËgîd ¿al (1 Sam 13,14; 25,30);
s≥iwwâ pelônî nËgîd (ohne le-) ¿al (2 Sam 6,21);
siwwâ pelônî lihyôt nËgîd ¿al (1 Kön 1,35; ähnlich Neh 5,14, wo jedoch
≥
mit be- statt mit ¿al konstruiert wird);
s≥iwwâ pelônî lir¿ôt ÷aet ... (2 Sam 7,7=1 Chr 17,6) (12);
s≥iwwâ pelônî ¿al (Jes 45,11b; 1 Chr 22,12; Neh 7,2; jeweils mit Ellipse
eines Titels wie nËgîd (13);
(9) Vgl. Gen 12,20; Num 8,22; 2 Sam 14,8; 1 Kön 11,10; Jer 39,11; Nah 1,14; Mal
3,22; 1 Chr 22,13. In 2 Sam 18,5 steht deutlicher ¿al-debar und in Jer 7,22 ¿al-dibrê.
(10) Vgl. u.a. F. DELITZSCH, Commentar über das Buch Jesaia (Leipzig 41889,
Neudruck Gießen 1984); C. VON ORELLI, Der Prophet Jesaja (München 31904); B. DUHM,
Das Buch Jesaja (Göttingen 1892, 21902); E. KÖNIG, Das Buch Jesaja (Gütersloh 1926); J.
RIDDERBOS, De profeet Jesaja II (Kampen 31953); BARTHÉLEMY, Critique textuelle, 342.
(11) Dies wird zu Unrecht in Zweifel gezogen von LEENE, De vroegere en de nieuwe
dingen, 193. Eingehend F. GARCÃA LÓPEZ, “s≥iwwââ€, ThWAT VI, 936-959, bes. 952-954, der
jedoch in Jes 45,11b die von uns vertretene Semantik nicht anerkennt (vgl. 955). Zu einer
ähnlichen semantischen Entwicklung im Arabischen vgl. L. KOPF, “Arabische Etymologien
und Parallelen zum Bibelwörterbuchâ€, VT 8 (1958) 197-198. Semantisch ganz anderer Art
sind die Wendungen s≥iwwâ le- (2 Kön 20,1/Jes 38,1), s≥iwwâ ÷ael (Gen 50,16; 2 Sam 17,23)
und s≥iwwâ ÷aet (Gen 49.29.33; 1 Kön 2,1), die an den genannten Stellen soviel bedeuten wie
“bestellen, kommen lassenâ€. Wieder anders s≥iwwâ ¿al in Jes 10,6 (“in den Krieg entsenden
gegenâ€) und Esra 8,17 (“zu jemand sendenâ€).
(12) In 1 Chr 22,6 dagegen ist s≥iwwâ pelônî libnôt trotz 1 Chr 22,12 wohl nicht so zu
verstehen, daß Salomo als König eingesetzt wird, um den Tempel zu bauen; er wird von
David beauftragt, den Tempel zu bauen.
(13) Schon LXX und Vg haben in 1 Chr 22,12 die in Jes 45,11b anzunehmende
Bedeutung von s≥iwwâ ¿al erfaßt, nicht jedoch in Neh 7,2.