Gudrun Holtz, «Zur christologischen Relevanz des Furchtmotivs im Lukasevangelium», Vol. 90 (2009) 484-505
The theme of fear is to be found in the gospel of Luke not only in connection with the central revelations of glory — in the account of the birth and transfiguration as well as in the chapter on the resurrection — but also in several miracle stories. In the light of Luke 9,43 Jesus’ mighty deeds, which give rise to fear in those present, appear as the visible aspect of his heavenly glory. This understanding of revelation echoes the revelation theology of the Book of Exodus which interprets the signs and wonders which Israel experiences in the context of the departure from Egypt as the soteriological aspect of God’s glory revealed on Sinai. Jesus as the Holy One of God, who, like the God of Exodus, arouses revelation fear, is to be understood against this background.
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Die Entfaltung des Furchtmotivs in der Darstellung der Sinai-
Offenbarung weist auch über die Verbindung von Doxa-Offenbarung
und Furcht des Volkes hinaus Ãœbereinstimmungen mit den lk
Offenbarungstexten auf. Dies betrifft zum einen die Begrifflichkeit, die
hier wie dort zur Umschreibung der Furcht gebraucht wird. Neben den
geläufigen, in verschiedenen lk Texten begegnenden Begriffen
fobevomai und ejxivsthmi gilt dies insbesondere für das seltene Verb
ptoew das sowohl in Ex 19 als auch in Lk 24 begegnet (43).
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Zum anderen betreffen die Ãœbereinstimmungen die inhaltliche
Ausgestaltung des Furchtmotivs. In Ex wie in Lk gehört es zur Reaktion
der Offenbarungszeugen, Distanz zum Offenbarer zu schaffen. Bei
Petrus führt die “Furcht angesichts des wunderbaren Fischfangs zu der
Bitte, Jesus möge von ihm weggehen. Ebenso reagiert die Menge der
Gerasener auf die Heilung des Besessenen. Ihre Reaktion ist freilich nur
die abgeschattete Gestalt der Furcht†der Hirten als der unmittelbaren
Augenzeugen des Wunders, die vom Ort des Geschehens fliehen. Dies
erinnert an Ex 20,18-19, wo die Israeliten aus Furcht vom Berg der
Offenbarung fliehen und Mose bitten, fortan möge er und nicht mehr
Gott selbst mit ihnen reden. Während sich die Suche nach Distanz zum
Offenbarer in Ex mit der Doxa-Offenbarung Gottes verbindet, findet sie
sich bei Lk freilich im Kontext der Machterweise Jesu.
2. Furcht als Reaktion auf Rettungswunder im Buch Exodus
Auch für den Zusammenhang von Furcht und Wunder sind
auffallende Ãœbereinstimmungen zwischen Lk und Ex zu konsta-
e[sthsan makrovqen (20,18) in der Sache aber vorausgesetzt ist. JACOB, Buch
Exodus, 585, paraphrasiert das zitierte Verb sachgemäß mit “(s)ie schwankten
zitternd zurückâ€, darin die von W. GESENIUS – F. BUHL, Hebräisches und
Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament (171915, Nachdr. Berlin
u.a.1962) 493, s.v. [wn 1, aufgeführten Aspekte verbindend; vgl. auch die
Paraphrase von U. CASSUTO, A Commentary on the Book of Exodus (Jerusalem
1951, Nachdr. 1983) 253: “they retreated in panic on account of their terrorâ€. Zum
Zusammenhang von Offenbarungsfurcht und Flucht vgl. neben Ex 20,19 (in
Verbindung mit Ex 20,21) Dan 10,7, Artapanus F3, 27,21 und 3Bar 7,5.
(43) Im AT findet sich ptoevw wiederholt. Aber außer in Ex 19,16 wird Gott im
gesamten AT nur noch in Hi 23,15 als Gegenstand der durch ptoevw ausgedrückten
Furcht genannt. Anders als in Ex 19,16 liegt in Hi 23,15 jedoch kein
Offenbarungszusammenhang vor. Im NT ist der einzige Beleg neben Lk 24,37 die
Stelle Lk 21,9; die Furcht ist hier allerdings auf apokalyptische Ereignisse
bezogen. Als menschliche Reaktion auf die göttliche Offenbarung findet sich das
Verb somit im gesamten AT und NT ausschließlich in der Sinaiperikope und der
Erzählung von der Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern.