Wolfgang Schütte, «Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift», Vol. 95 (2014) 198-223
The book of Hosea was composed a short time after the Assyrian conquest of Israel and by a group of Israelites that had fled to Judah. The kernel of the book comes from a series of critical statements about cultic personnel and Israel's society. The book integrated later reflections on national guilt and tried to infuse religious hope to the Israelite refugees in Judah.
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erneuern. Mit dieser Vorstellung greift der Text gezielt auf das alte
Exodusmotiv zurück (Hos 2,17), das schon früher in Umkehrung
seiner eigentlichen Aussage verwendet wurde. Nun gewinnt es die
ursprüngliche, verheißungsvolle Bedeutung in einer gewandelten
historischen Situation, dem israelitischen Exil in Juda, zurück.
Die Gottesrede formuliert Israels Gottes- und Selbsterkenntnis
nicht als göttlichen Zwangsakt. Vielmehr wird Israel von Gott ver-
führt (htp), mit ihm in die Wüste zu gehen; dort will er wie ein Lieb-
haber Israel zu Herzen reden (bl-l[), sie beschenken und so bereit
machen, seinem Werben zu antworten (hn[). Hos 2,16-17 schreibt
der erneuten Gotteserkenntnis einen innewohnenden Eros zu, der aus
sich heraus eine gewinnende Dynamik entfaltet, welche die äußerlich
Israel bedrängende Situation der “Wüste” umzuwerten vermag.
Wie die vorangegangenen Textstücke spricht auch Hos 2,4-25
von keiner wirklichen Umkehrbereitschaft Israels. Die Tradenten
des prophetischen Wortes entfalten allein die erstaunliche göttliche
Entwicklung, der Gottvergessenheit Israels aufzuhelfen. Sie ent-
wickeln ein pädagogisches Programm Gottes auf der Basis einer
(re-)konstruierten Heilsgeschichte. Neue geschichtliche Erfahrung
wird gedeutet als Ermöglichung neu-alter Gottes- und Selbster-
kenntnis. In dieser Phase theologischer Reflexion konnten die Tra-
denten vermutlich auf die in Hos 14,9-10 artikulierte Erkenntnis
zurückgreifen und deren Ansatz vertiefen.
Das pädagogische Programm Gottes von Hos 2,4-25 dürfte in sei-
nem Selbstverständnis die Logik von Theologen spiegeln, die einen
tief reflektierten Glauben lebten. Ihre aktive Geschichtsdeutung 60,
verbunden mit einem programmatischen Anspruch auf Glaubensre-
flexion in Israel, kann nicht als niederschwellig bezeichnet werden.
So ist es zu bezweifeln, dass die Hoseaschrift in diesem Stadium im
Volk verbreitet war 61.
60
Vgl. CRÜSEMANN, “Hosea”.
61
Siehe auch R.G. KRATZ, “Die Worte des Amos von Tekoa”, Propheten-
studien (FAT 74; Tübingen 2011) 341-342. Die breite pädagogische Vermittlung
der hos. juda-exilischen Theologie kommt vermutlich erst mit Durchsetzung
der jüngeren, pädagogisch angelegten dtn-dtr. Theologie (z.B. Dtn 6,4-5.6-9).