Michael Sommer, «Die literarische Konzeption von räumlicher und zeitlicher Wahrnehmung in der Johannesoffenbarung.», Vol. 96 (2015) 565-585
This article proposes that the Book of Revelation does not have a single concept of space and time. In contrast, John lets his first person narrator experience different modes of time and space, and his temporal and spatial perceptions begin to change caused by God's action in history. Thereby, John wants to highlight God's power over his creation in order to criticize and to polemicize the Roman imperial cult and its particular understanding of time.
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571 DIE LITERARISCHE KONZEPTION 571
Geschehen, das öffentliche Leben und das Verwaltungssystem des
Reiches, sie gehörte auch zum römischen Selbstverständnis fest
dazu 11. Eine Vielzahl von archäologischen Funden deutet darauf
hin, dass Zeit und Macht eigentlich seit der späten Republik sehr
eng miteinander verbunden waren. Gerade deshalb wurde sie vor
allem in der Kaiserzeit zu Zwecken der Selbstinszenierung 12, sei
es in Form von Kult-, Verwaltungs- und/oder der Gesellschaftsor-
ganisation, instrumentalisiert. Dem Reich sollte durch ein gemein-
sames Zeitsystem, das natürlich adaptionsfähig gestaltet war und
sicherlich lokal verschieden gestaltet wurde 13, Einheit und Einheit-
lichkeit verliehen werden, als deren Garant der Imperator stilisiert
worden ist. Wir sind in der glücklichen Lage, uns über Teilaspekte
davon ein relativ genaues Bild machen zu können, denn in Klein-
asien wurde in der relativ unbedeutenden Stadt Priene eine Inschrift
aus dem Jahre 9 v. Chr. entdeckt. Sie überliefert eine über den Pro-
konsul Paullus Fabius Maximus vermittelte Konferenz zwischen
dem Koinon Kleinasiens und Rom, die auf die Initiative des Land-
tags selbst zurückzuführen sei 14. Laut T. Mommsen und U. von
Wilamowitz-Moellendorff wurden diese sechs Dokumente der
lateinisch-griechischen Inschrift in jeder provinzialen Stadt öffentlich
ausgestellt und geben ein klares Zeugnis davon, wie der sich langsam
entwickelnde Kaiserkult die Alltagskultur beeinflusste (Funde von
Bruchstücken davon aus Eumeneia, Apameia, Dorylaion und Metro-
polis unterstützen dies 15) 16. IPriene 105 zeugt davon, inwiefern
sich innerhalb der julianischen Kalenderreform unter Augustus im
Osten des Reiches nachhaltig magistarle Verwaltungsstrukturen
11
Vgl. hierzu RÜPKE, Zeit, 143-177.
12
Vgl. dazu RÜPKE, “Kalender”, 28.
13
Vgl. dazu HERZ, “Festkalender”, 47. Parallel AMELING, “Kaiserkult”, 20;
Ausführlicher RÜPKE, Zeit, 145-153; RÜPKE, “Kalender”, 24-25.
14
Vgl. dazu T. WITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der
kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Au-
gustus bis Antonius Pius (NTOA/STUNT 63; Göttingen 2007) hier bes. 25-32.
15
Vgl. dazu AMELING, “Kaiserkult”, 19 (bes. Anm. 21).
16
Beide edierten den Text zum ersten Mal. Vgl. T. MOMMSEN – U. VON
MILLAMOWITZ-MOELLENDORFF, “Die Einführung des asianischen Kalenders”,
MDAI.A 24 (1899) 275-293. Ich stütze mich hier auf die Edition von T. WI-
TULSKI, Die Adressaten des Galaterbriefes. Untersuchungen zur Gemeinde
von Antiochia ad Pisidiam (FRLANT 193; Göttingen 2000) hier 229-235.