Ulrich Victor, «Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums», Vol. 22 (2009) 55-90
In a contaminated manuscript tradition there is no such thing as a 'good' manuscript or a 'good' group of manuscripts. The right reading may be found anywhere in this tradition, even in the smallest parts. There is no other means of deciding between different readings than the tools of philology, and every variant of the text must be considered as a unique case. This will be demonstrated in 33 variants of the text of Matthew's Gospel.
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eivkh/| zu ei;ph verschrieben oder wegen eines Hörfehlers missverstanden
worden sein, so dass sich anschließend die Streichung eines nun sinnlosen
Wortes als Korrektur anbot. Beide Irrtümer liegen sehr nahe. – Wenn der
Text ohne eivkh/| der originale wäre, hätte man nach einem recht skrupel-
losen Korrektor zu suchen. Es steht der Beweis aus, dass Korrekturen
solcher Art gemacht wurden. Die Selbstverständlichkeit und Häufigkeit,
mit der solche Zusätze angenommen werden, scheint einen solchen Be-
weis ersetzen zu sollen (Es geht hier ja nicht um die Korrektur eines
Textes, der theologisch kontrovers war, oder um die Herstellung eines
Textes, der eine gewünschte theologische Aussage beweisen könnte – sol-
che Korrekturen kommen, selten, vor, aber sie sind deutlich als solche zu
erkennen!).
Wer den Text ohne eivkh/| für den originalen hält, sollte wenigstens versu-
chen zu erklären, wie ein späterer Zusatz zum Originaltext - der übrigens
sehr früh zu finden ist! - , in sehr großen Teilen der Überlieferung Einlass
fand, obwohl er zum Verständnis nicht nötig ist.
Der eigentliche Grund der Infragestellung des eivkh/| in NA dürfte wie-
der einmal die Tatsache sein, dass das Wort in den „guten“ Handschriften
a und B nicht überliefert ist.
Die Begründung des kürzeren Textes durch Metzger sei hier als Mah-
nung zitiert, in solchen Fällen überzeugendere Argumente zu liefern: „…it
is much more likely that the word was added by copyists in order to
soften the rigor of the precept, than omitted as unnecessary.“ Weiteres
zur Frage von längeren und kürzeren Texten in der Überlieferung des NT
findet sich in der Einleitung.
2. Es gibt berechtigten Zorn. Gregor von Nyssa gibt den richtigen
Kommentar: „Der Zusatz von ‚grundlos’, zeigt, dass der Gebrauch des
Zorns oftmals richtig am Platze ist, wenn die Leidenschaft wegen der
Bestrafung eines Fehlers kocht“ (Orationes VIII de beatitudinibus 44.
1276). Es ist hinzuzufügen, dass gerechter Zorn eine äußerst heilsame
Wirkung auf den Betroffenen haben kann. Sollte das dem Sprecher dieses
Satzes unbekannt gewesen sein?
3. Zu den Handschriften: Es sind zwei weitere Zeugen für eivkh|/ zu
den in NA genannten hinzuzufügen, Pseudo-Iustinus Martyr und Gregor
von Nyssa. Andererseits ist es keineswegs sicher, dass das Wort in P64
fehlt. Dass der Papyrus nach auvtou/ wirklich e;nocoj hat, erscheint höchst
zweifelhaft; es überrascht außerdem, dass die Zeile, in der das Wort
möglicherweise steht, nur 13 Buchstaben enthält, während andere Zeilen
18 Buchstaben umfassen.