Ulrich Victor, «Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums», Vol. 22 (2009) 55-90
In a contaminated manuscript tradition there is no such thing as a 'good' manuscript or a 'good' group of manuscripts. The right reading may be found anywhere in this tradition, even in the smallest parts. There is no other means of deciding between different readings than the tools of philology, and every variant of the text must be considered as a unique case. This will be demonstrated in 33 variants of the text of Matthew's Gospel.
Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums 69
Mt 7, 24
)))o`m` oiw,sw auvto,n
Dieser Text ist der originale:
1. Der Text von NA ist eine Änderung des Textes aus Gründen des
sprachlichen Purismus, wie sie in der Tradition von a und B nichts
Ungewöhnliches ist: mit der Form o`m` oiwqh,setai hat ein pedantischer
Korrektor auf höchst einfache Weise die volkstümliche Konstruktion des
Casus pendens vermieden, die aber zum Sprachgebrauch des Matthäus
gehört (10,11, nur in D; 10,32.33; 12,36; 13,19; siehe BDR 466). Die um-
gekehrte Änderung von dieser glatten Form des Textes mit o`m` oiwqh,setai
zur sperrigen Form des Textes mit Casus pendens und o`m` oiw,sw auvto,n ist
unwahrscheinlich.
Aus diesem Grund ist es auch ganz unwahrscheinlich, dass, wie
Metzger vermutet, o`m` oiw,sw eine Angleichung an Lk 6,47 ist, wo sich
ebenfalls der Casus pendens findet - zudem bei einem ganz anderen Ver-
bum! Außerdem fehlt bei Lukas ja gerade das ausdrucksvolle auvto,n. Die
Beliebigkeit der Annahme solcher Entlehnungen bei Metzger wird hier
besonders deutlich (siehe die Einleitung).
2. Das Futur Passiv kommt in den Evangelien etwa 120 mal vor,
während ein Futur Aktiv mit auvto,n sich nur 6 mal findet, so dass die
Wahrscheinlichkeit der Änderung eines ursprünglichen Aktivs in das
Passiv als Angleichung an den gewöhnlichen Sprachgebrauch größer
ist als der umgekehrte Fall. Wenn überhaupt irgendwo, sollte hier der
Gesichtspunkt der lectio difficilior potior berücksichtigt werden.
3. ovmoiw,sw findet sich noch vier weitere Male in Jesu Mund: Matt
11,16; Lk 7,31; 13,18.20. Bei Matthäus gebraucht Jesus ein weiteres Mal
mit einem anderen Verbum ein solches Futur Aktiv mit auvto,n: qerapeu,sw
auvto,n (8,7)21.
4. Eine Angleichung eines ursprünglichen Futur Aktiv an den unmit-
telbar folgenden Vers 26 o`m` oiwqh,setai avndri. mwrw|/ ist auch zu erwägen.
Mt 8, 18
pollou.j o;clouj
Dieser Text ist der originale:
1. o;cloi polloi, (Plural!) ist ein Merkmal der Sprache des Matthäus
21
Bei Johannes kommt dieses Futur eines Aktivs nur in endzeitlichen Aussagen vor und
bei der Auferweckung des Lazarus (6,40; 6,44; 6,54; 14,24, in diesem Fall nur in einem Teil
der Überlieferung).