Ulrich Victor, «Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums», Vol. 22 (2009) 55-90
In a contaminated manuscript tradition there is no such thing as a 'good' manuscript or a 'good' group of manuscripts. The right reading may be found anywhere in this tradition, even in the smallest parts. There is no other means of deciding between different readings than the tools of philology, and every variant of the text must be considered as a unique case. This will be demonstrated in 33 variants of the text of Matthew's Gospel.
Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums 75
Mt 12, 47
ei=pen de, tij auvtw/(| VIdou,( h` mh,thr sou kai. oi` avdelfoi, sou e;xw e`sth,kasi(
zhtou/nte,j soi lalh/saiÅ
1. Es ist kein vernünftiger Zweifel möglich, dass V. 47 zum originalen
Text gehört. V. 48 setzt V. 47 voraus, weil Jesus erst durch den Sprecher
des Verses 47 erfährt, dass seine Mutter und seine Brüder außerhalb des
Hauses stehen.
2. Der Ausfall lässt sich außer durch das Homoioteleuton lalh/sai in 46
u. 47 durch weitere wörtliche Übereinstimmungen hinreichend erklären.
Weil an der Authentizität dieses Verses kein vernünftiger Zweifel mög-
lich ist, können wie diese textkritische Einheit als ein Exempel ansehen,
an dem sich erkennen lässt, dass in der kontaminierten Überlieferung des
NT eben nicht nach „guten“ Handschriften entschieden werden darf. Die
Begründung der Klammern in NA durch Metzger („age and weight of
the diverse text-types that omit the word“) lässt einerseits die Wirklich-
keit der Überlieferung von Texten außer acht und ist zum andern schlicht
unverständlich (s. die Einleitung).
Die eckigen Klammern, die das Committee in NA in den Text gesetzt
hat, sind nur als ein befremdliches Zeichen der Trauer darüber zu verste-
hen, dass die „guten“ Handschriften a* B etc. hier nicht den originalen
Text enthalten.
Mt 14, 3
)))to,te krath,saj
1. to,te ist ein von Matthäus sehr häufig gebrauchtes Wort (89 mal;
Markus 6 mal, Lukas 14 mal; Johannes 11 mal).
2. Es passt in den Text dieser (verglichen mit Markus 6,17-29 eher
ungeschickten) Rückblende. Andererseits ist der Text auch ohne to,te gut
verständlich; es hätte also keinen erkennbaren Grund gegeben, dieses
Wort hinzuzufügen, wenn es nicht im originalen Text gestanden hätte.
3. Ein so kleines Wort kann aus sehr vielen Gründen in verschiedenen
Teilen der Überlieferung ausgefallen sein, und ein versehentlicher Ausfall
ist wahrscheinlicher als eine Hinzufügung. Möglicherweise war auch die
Ungeschicklichkeit der Rückblende ein Anlass, das Wörtchen zu strei-
chen, d.h. der Autor Matthäus wäre von Korrektoren stilistisch verbessert
worden.
Mt 14, 24
To. de. ploi/on h;dh h=n me,son th/j qala,sshj basanizo,menon…