Ulrich Victor, «Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums», Vol. 22 (2009) 55-90
In a contaminated manuscript tradition there is no such thing as a 'good' manuscript or a 'good' group of manuscripts. The right reading may be found anywhere in this tradition, even in the smallest parts. There is no other means of deciding between different readings than the tools of philology, and every variant of the text must be considered as a unique case. This will be demonstrated in 33 variants of the text of Matthew's Gospel.
Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums 79
übrigen ist die Gruppe der Handschriften, die den angezweifelten Text
enthält, ebenfalls sehr beeindruckend – wenn man einmal so argumentie-
ren will wie das Committee!
Mt 17, 21
Tou/to de. to. ge,noj ouvk evkporeu,etai eiv mh. evn proseuch|/ kai. nhstei,a|
1. Dieser Satz ist hier notwendig, weil nur er Jesu Antwort auf die
Fragen der Jünger ist, denn weder ‚Kleinglaube’ noch ‚Unglaube’ (das
letztere hält Zahn für original31) sind eine wirkliche Antwort, weil Jesus
den Jüngern die hier erforderlichen Fähigkeiten ja unabhängig von der
Stärke ihres Glaubens gegeben hatte (7,22; 10,1; 10,8).
2. Wer eine Übernahme dieses Verses aus Markus 9,29 annimmt, muß
erklären, warum die Übernahme nicht wörtlich erfolgte (siehe die Einlei-
tung!) und warum die von außen eingedrungene Lesart sich in so weiten
Teilen der Überlieferung verbreitete. Es ist hinzuzufügen, dass der längere
Text sich in wahrscheinlich früheren Teilen der Überlieferung findet als
der kurze – wenn man einem solchen Argument Bedeutung zumisst, wie
das Committee sehr häufig (siehe dazu die Einleitung!).
3. Ähnlichkeiten zwischen Vers 20 und 21 könnten den Ausfall be-
wirkt haben:
TOUTW metaba enqen ekei kai metabhsETAI
TOUTO de to genoj ouk ekporeuETAI)
Mt 18, 29
Pesw.n ou=n o`` su,ndouloj auvtou/ eivj tou.j po,daj auvtou/
Der längere Text ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der originale.
1. Der Ausfall ist durch Homoioteleuton zu erklären. Er kann in der
Überlieferung leicht mehrfach vorgekommen sein (gegen Metzger: „The
combination of B D 700 …is a significant constellation of witnesses sup-
porting the shorter reading.“)
2. Eine spätere Hinzufügung dieser vier Wörter ist unwahrscheinlich,
weil der Text auch ohne sie (a) völlig verständlich und (b) stilistisch nicht
anstößig war. Auch sonst wird pi,ptw absolut gebraucht (2,11; 4,9).
Es ist außerdem zu fragen, warum die hypothetische Ergänzung dieser
vier Wörter, wenn sie hier für nötig gehalten wurde, nicht schon und auch
18,26 vorgenommen wurde.
Ein völlig vergleichbarer Fall ist 18,35.
31
Th. Zahn, Matthäus 569, Anm. 15.