Ulrich Victor, «Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums», Vol. 22 (2009) 55-90
In a contaminated manuscript tradition there is no such thing as a 'good' manuscript or a 'good' group of manuscripts. The right reading may be found anywhere in this tradition, even in the smallest parts. There is no other means of deciding between different readings than the tools of philology, and every variant of the text must be considered as a unique case. This will be demonstrated in 33 variants of the text of Matthew's Gospel.
Textkritischer Kommentar zu ausgewählten Stellen des Matthäusevangeliums 73
Mt 10, 42
)))kai. o]j evan. poti,sh|
Die heute vorhandenen Hilfsmittel reichen nicht aus, die Frage zu
entscheiden, ob hier evan, oder a;n der originale Text ist. Der Sachverhalt
soll hier trotzdem exemplarisch behandelt werden, weil es ungezählte
entsprechende Fälle gibt. Sie machen einen erheblichen Teil der textkri-
tischen Fragen des NT aus.
In NA findet sich 21 mal im Text eine Form des Relativpronomens
+ evan, , 10 mal eine Form des Relativpronomens + a;n . In 9 von diesen 10
Fällen sind bei Tischendorf (ed. oct.) vv.ll. mit evan, vermerkt, nur in zwei
Fällen im Apparat von NA. In zwei von diesen 10 Fällen (10,42; 26,48)
setzt Tischendorf evan, in den Text. Es gibt gute Gründe zu der Vermutung,
dass das Relativpronomen + evan, der Regelfall in großen Teilen der Koine
ist, und es scheint nach dem oben Dargelegten, dass Matthäus zu diesen
großen Teilen gehört.
Solange nicht sehr sorgfältige Untersuchungen zum Sprachgebrauch
der Autoren des NT vorliegen - und daran mangelt es ganz und gar; M.
Reiser, Syntax und Stil des Markusevangeliums, Tübingen 1984, ist eine
rühmliche Ausnahme, aber auch er hilft uns in diesem Fall nicht weiter - ,
können Entscheidungen in diesen Fragen nicht getroffen werden.
Man sollte dergleichen in den Vorworten der kritischen Ausgaben aus-
führlich behandeln und sagen, wie man in diesen Fragen verfährt. Denn
es geht in der Tat in solchen Fällen um Verfahrensweisen angesichts eines
unklaren Befundes, nicht um textkritische Entscheidungen im eigentli-
chen Sinne.
Die hier gewählte Verfahrensweise ist, den überwiegenden Sprachge-
brauch des Matthäus als die Regel anzusehen, der zu folgen ist. Das mag
unbefriedigend zu sein; es ist aber befriedigender als die reine Willkür,
die zur Zeit herrscht.
Mt 11, 23
katabibasqh,sh|
1. Es sollte sich von selbst verstehen, dass das Passiv in dieser Prophe-
zeiung und Verwünschung das geeignetere Genus verbi ist. Kapharnaum
geht einem Schicksal entgegen, auf das es selbst keinen Einfluss mehr hat.
katabh,sh| wäre unter dem Gesichtspunkt der literarischen Qualität die
schlechtere Wahl.
2. Die Ersetzung von katabibasqh,sh| durch katabh,sh ist sowohl als
Schreiberversehen zu erklären, zu dem es auch leicht mehrmals gekommen
sein kann, wie auch als eine Angleichung an Jes 14,15. Eine Ersetzung