Wolfgang Schütte, «Israels Exil in Juda und die Volkersprüche in Am 1-2», Vol. 92 (2011) 528-553
For the composition of the oracles against the nations (Am 1,3–2,16) one historical background can be described. The disaster of the end of Israel 720 BCE was taken into consideration by Israelites living in a Judaean exile. Sorrow about Israelites deported to Edom, perhaps for working in copper mines, is connected with the threat of violence from neighbouring countries who kept some autonomy under the Assyrian reign. The oracles of Judah and Israel tell about religious and social problems in the Judaean exile as seen by the Israelite heirs of Amos’ and Hosea’s prophecies.
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ISRAELS EXIL IN JUDA UND DIE VÖLKERSPRÜCHE IN AM 1-2
Amos- und der Hoseaschrift weist die Am 2,5 ähnelnde Stelle Hos
8,14. J. Jeremias rechnet Hos 8,14 zu den wenigen amosischen Zu-
sätzen in Hos bei der gemeinsamen Redaktion der beiden Schriften
77
. Ferner greift Am 2,4 eine Anklage aus Hos 4,6 auf, die Weisung
Gottes würde verworfen.
Amos- und Hoseaschrift sind in den ältesten Textteilen Verkündi-
gung an Israel. Wie die “judäische Redaktion†in Hos eine judäische
Perspektive ergänzt, so zeigt etwa auch Am 1,2; 6,1 eine Aktualisierung
auf Jerusalemer Verhältnisse 78. Wenn sich der Judaspruch im Kontext
der Völkersprüche vom Israelspruch abhebt, ist daher von einer klaren
Unterscheidung beider Entitäten auszugehen, die kompositorisch zu-
gleich ein Paar bilden.
Israelspruch als Skopus der Spruchkomposition und Judaspruch als
Anzeiger einer aktualisierten Komposition legen nahe, Am 1,3–2,6 als
judaexilische Redaktionsarbeit israelitischer Theologen zu verstehen.
Mit dieser Deutung greife ich die von I. Finkelstein archäologisch be-
gründete These auf, es wären nach der assyrischen Eroberung Israels
720 v.Chr. Israeliten in großer Zahl nach Juda geflüchtet; darunter
waren erkennbar auch Schreibkundige 79. Sie brachten die Tradition
von Hos und Am mit und redigierten sie in Juda. So reflektiert die End-
redaktion von Am 1,3–2,16 den Untergang des Staates Israel, blickt
auf dessen Nachbarstaaten einschließlich des Exillandes Juda und
nimmt Israels veränderte Situation auf. Mit derselben Intention wie die
“judäische Redaktionâ€, tatsächlich wohl einer judaexilischen Redak-
tion von Hos, wird in Am 2,4-5 eine religionskritische Wahrnehmung
Judas nach 720 v.Chr. formuliert. Auf dieser Ebene legen sich der Juda-
und der folgende Israelspruch gegenseitig aus.
77
J. JEREMIAS, “Die Anfänge des Dodekaprophetonâ€, Hosea und Amos
(FAT 13; Tübingen 1996) 39-41.
78
Vgl. J. JEREMIAS, Der Prophet Amos (ATD 24/2; Göttingen 1995) 83.
79
I. FINKELSTEIN, “The Settlement History of Jerusalem in the eighth and
seventh Centuries BCâ€, RB 115 (2008) 499-515; J. RENZ, Schrift und Schrei-
bertradition. Eine paläographische Studie zum kulturgeschichtlichen Ver-
hältnis von israelitischem Nordreich und Südreich (ADPV 23; Wiesbaden
1997); W. SCHÜTTE, “Wie wurde Juda israelitisiert?†ZAW .