Wolfgang Schütte, «Israels Exil in Juda und die Volkersprüche in Am 1-2», Vol. 92 (2011) 528-553
For the composition of the oracles against the nations (Am 1,3–2,16) one historical background can be described. The disaster of the end of Israel 720 BCE was taken into consideration by Israelites living in a Judaean exile. Sorrow about Israelites deported to Edom, perhaps for working in copper mines, is connected with the threat of violence from neighbouring countries who kept some autonomy under the Assyrian reign. The oracles of Judah and Israel tell about religious and social problems in the Judaean exile as seen by the Israelite heirs of Amos’ and Hosea’s prophecies.
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ISRAELS EXIL IN JUDA UND DIE VÖLKERSPRÜCHE IN AM 1-2
der philistäischen Bevölkerung gesorgt haben 28. Dies könnte eine
Datierung von Am 1,6-8 nach dieser Zeit, also frühestens nach 734
v.Chr., begründen.
Am 1,6 spricht Gaza auf seine Rolle als einzige “wirklich bedeu-
tende Drehscheibe im transkontinentalen Ost-West-Handel†29 an –
nach Tyrus. Vor allem die Fernhandelswege aus der Araba durch den
Negev und aus Ägypten liefen in Gaza zusammen. Die Beherrschung
des Fernhandels über Cis- und Transjordanien sicherte Assur seit 734
v.Chr. finanzielle Gewinne sowie eine wachsende Kontrolle über das
noch länger selbständig agierende Tyrus 30. Sklaverei war ein übli-
ches Geschick, das Kriegsgefangene jeden Geschlechtes erwartete 31.
So kann der Verkauf von Menschen in die Sklaverei nach Edom als
ein durchaus normales Geschäft der Händler von Gaza verstanden
werden. Nur das Am 1,6.9 betonte Ausmaß der Deportationen und
die Beteiligung von Tyrus geben zu denken.
5. Der Tyrusspruch (Am 1,9-10)
Der Inselstaat Tyrus mit zeitweise grossem Festlandbesitz be-
trieb eine ausgeprägte Handelspolitik anstelle von Militärpolitik 32.
Im Notfall verließ er sich auf seine Insellage und die flottengestützte
Handelsmacht, um auch mit übermächtigen Feinden ins Geschäft
zu kommen. So zeigt der Nachbar Israel nur sehr geringe Grenz-
verteidigungsbauten im Nordwesten seines Landes 33. Daher über-
rascht die Nennung eines feindlich gesinnten Tyrus.
28
T. und M. DOTHAN, Die Philister (München 1995) 161-162, berichten
von Massengräbern in Aschdod, die vermutlich auf das Jahr 712 v.Chr. zu-
rückgehen, als die Armee von Sargon II die Yamani-Revolte niederschlug
und Aschdod in eine assyrische Provinzhauptstadt verwandelte. S.a. ODED,
Deportations, 116-135.
29
SOMMER, Phönizier, 165.
30
Vgl. C.S. EHRLICH, The Philistines in Transition (Studies in the History
and Culture of the Ancient Near East 10; Leiden 1996) 93-94.
31
Vgl. I. MENDELSOHN, Slavery in the Ancient Near East (Westport, CT
1949, reprint 1978) 1-3, 92-99.
32
KATZENSTEIN, The History of Tyre (Jerusalem 1973) 195-196.
33
Vgl. H.M. NIEMANN, Herrschaft, Königtum und Staat (FAT 6; Tübingen
1993) 149.