Wolfgang Schütte, «Israels Exil in Juda und die Volkersprüche in Am 1-2», Vol. 92 (2011) 528-553
For the composition of the oracles against the nations (Am 1,3–2,16) one historical background can be described. The disaster of the end of Israel 720 BCE was taken into consideration by Israelites living in a Judaean exile. Sorrow about Israelites deported to Edom, perhaps for working in copper mines, is connected with the threat of violence from neighbouring countries who kept some autonomy under the Assyrian reign. The oracles of Judah and Israel tell about religious and social problems in the Judaean exile as seen by the Israelite heirs of Amos’ and Hosea’s prophecies.
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Am 1,6.9 läßt erkennen, dass die beklagten Deportationen von
Tyrus organisiert und über Gaza logistisch abgewickelt wurden.
Diese Nord-Süd-Ausrichtung spricht dafür, dass nicht judäische
sondern israelitische Gefangene versklavt wurden. Sie spricht für
offene Küstenwege, d.h. für assyrischen Einfluss in Palästina 34.
Aus der Geschichte von Tyrus deutet vieles auf die Zeit nach 720
v.Chr. als dem passenden Ereigniszeitraum.
Seit Tyrus unter Ethbaal II (ca. 750-740? v.Chr.) Tiglath-Pileser III
tributpflichtig wurde, war es bestrebt, die assyrische Last loszuwer-
den. Hiram II von Tyrus (739-730? v.Chr.) beteiligte sich an der an-
tiassyrischen Koalition um Rezin von Damaskus. Als Tiglath-Pileser
III 734 v.Chr. an der Mittelmeerküste entlang nach Süden zog, und
erneut 733-732 nach Damaskus und Palästina zog, war Hiram von
Tyrus neben Gaza der einzige Koalitionär, der mit einer bloßen Tri-
butzahlung seine Beziehung zu Assur bereinigen konnte. Die wirt-
schaftliche Stärke von Tyrus wie seine für Assur unersetzliche
Rolle im Fernhandel dürfte, ähnlich wie im Falle von Gaza, der Grund
für diese Gunst gewesen sein 35. E. Lipiński vermutet allerdings, dass
Hirams II Herrschaftsgebiet verkleinert wurde, und in Sidon Eloulaios
(Luli) als König von Assurs Gnaden etabliert wurde 36.
Von Mattan II von Tyrus (730/729 v.Chr.), möglicherweise
einem Putschisten, ist die Zahlung eines immens hohen Tributes an
Assur bekannt; dies brachte ihn vermutlich rasch um seinen Thron.
Ihm folgte (aus Sidon?) Eloulaios (Luli) (729-694 v.Chr.), der nun
eine assyrienfeindliche Politik verfolgte 37. Bald nach seinem Herr-
schaftsantritt führte Salmanassar V Krieg gegen Tyrus. Er besetzte
das Festlandterritorium, konnte die Inselstadt aber auch in fünfjäh-
riger Belagerung bis zu seinem Tod nicht erobern 38.
H.J. Katzenstein vermutet, dass Eloulaios noch während der assy-
rischen Belagerung einen Vertrag mit Hosea von Israel schloß, der
sich seinerseits ägyptischer Unterstützung versicherte (2 Kön 17,4).
34
Gefangene von denkbar früheren damaszener Kriegszügen wären eher
auf transjordanische Transportwege geleitet worden.
35
TADMOR, Inscriptions, 176 Zeile 2’-7’, 186 Zeile 5.7 und 188 Zeile 16;
vgl. KATZENSTEIN, History, 212.
36
LIPIŃSKI, Skirts, 197.
37
KATZENSTEIN, History, 218.222.
38
LIPIŃSKI, Skirts, 188-189.